Hannas Wahrheit (German Edition)
Körperhaltung. Immer wieder huschte ein Grinsen über ihr Gesicht. Dann ging ihre Hand auf einmal warnend hoch. Sofort verharrte er regungslos, spannte den Körper an. Seine Augen suchten die Gegend ab. Er stutzte, dann entspannte er sich. Es war nur eine Elchkuh, die aus dem Gebüsch trat. Sie verschwand, als sie die Witterung von ihnen aufnahm.
„Wow, das Bild wird nicht gelöscht“, erklärte sie entschieden mit roten Wangen und glänzenden Augen.
„Wir werden sehen.“ Doch er sah ihr an, dass sie für dieses Foto kämpfen würde, und darüber freute er sich. Es zeigte ihm mehr als alles andere, dass Hanna begann, ihr Leben wieder anzunehmen. Allerdings hatte er ihr noch nichts von den neuesten Entwicklungen erzählt. Ihm war klar, dass er dafür nicht mehr viel Zeit hatte. Der Einsatz war für morgen geplant. Mit den Informationen, die Hanna geliefert hatte, war die Maschinerie in Gang gesetzt worden. Das BKA wusste, wo es ansetzen musste, sammelte die Puzzleteile und würde daraus ein Gesamtbild kreieren. Dennoch war und blieb die Zeugenaussage von Hanna die wichtigste Komponente in der Angelegenheit. Das würde ihr nicht gefallen.
Hanna setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm, klopfte auf den Platz neben sich. „Sprich.“
Es war erstaunlich, wie sie in der Lage war, ihn zu durchschauen. Er setzte sich, wusste, dass ihre Ruhezeit abgelaufen war.
„Nina Schröder ist heute tot aufgefunden worden.“
Hannas Gesicht wurde eine Spur blasser. „Was ist mit Viktor?“
„Verschwunden.“
„O Gott“, stöhnte sie und verbarg ihr Gesicht in den Händen, „nicht Viktor.“
Er überlegte, ob er Hanna die Wahrheit zumuten konnte.
„Viktor steht auf unserer Fahndungsliste.“
Sie hob den Kopf und sah ihn verständnislos an. „Wieso?“
„Er ist einen Tag nach deinem angeblichen Selbstmord verschwunden und ist auch nicht auf der Beerdigung erschienen.“
„Warum sollte er auf einer Beerdigung erscheinen?“ Sie stutzte, sah ihn an und riss die Augen auf. „Ihr habt mich beerdigt?“
„Du sitzt vor mir“, versuchte er die Situation zu retten. Ihm war längst klar, dass sie sich im Zweifel immer vor ihre Mutter und Marie stellen würde.
„Hör auf mit der Haarspalterei. Ihr habt jemanden in meinem Namen beerdigt?“
„Nein, die Urne war leer.“ Er wartete, wie sie die Information aufnahm. „Hanna, egal wie du es drehen oder wenden willst: Viktor steckt mit drin. Dass er Medicares betreut, spricht nicht für ihn.“
„Denken Mama und Marie, dass ich tot bin?“, funkelte sie ihn böse an.
Mist, dachte er, keine gute Richtung für das Gespräch. Er schwieg, vielleicht würde sie sich beruhigen und er konnte vernünftig mit ihr reden.
Sie stand abrupt auf. „Ich möchte zurück.“
Langsam stand er auf.
„Nein.“ Dieses eine Wort ließ keinen Widerspruch zu.
Heftig wandte sie sich zu ihm. „Du hast ja keine Ahnung. Meine Mutter und meine Schwester brauchen mich.“
„Hanna, wir haben diese ganze Maschinerie nicht in Gang gesetzt, damit du wieder putzmunter in Deutschland aufkreuzt und deinem Schwager oder der Verteidigung die Möglichkeit gibst, dich aus dem Weg zu räumen.“
„Soll das heißen, ich bin eine Gefangene?“
Er fuhr sich mit der Hand durch die viel zu langen Haare. Er wusste nicht, an welcher Stelle ihm das Gespräch entglitten war.
„Nein, keine Gefangene, sondern eine Zeugin, die eines besonderen Schutzes bedarf und die für eine Weile untergetaucht bleiben muss.“
Ihr ganzer Körper zitterte vor Wut.
„Nein.“
„Nein?“
„Das werde ich nicht tun. Ich bin ein freier Mensch in einem freien Land, und niemand kann mich gegen meinen Willen festhalten.“
Er sah ihr nach, als sie zum Haus zurückstiefelte. Eigentlich hatte er keine andere Reaktion von ihr erwartet, wenn sie dieses Detail erfuhr. Er hatte es auch gegenüber Oberst Hartmann angemerkt. Dessen einzige Reaktion war gewesen, ihm zu sagen, es sei sein Job, Hanna von der Notwendigkeit zu überzeugen, eine Aussage zu machen. Er seufzte, denn er konnte Hanna verstehen. Auch er hatte seine kleine Schwester immer versucht zu beschützen.
Als er ins Haus kam, packte sie bereits ihre Tasche. Sicherheitshalber hatte er die Haustür hinter sich abgesperrt. Nicht umsonst hatte er diese Hütte gewählt.
Er lehnte sich an die Tür und beobachtete sie.
„Dir ist klar, dass das sinnlos ist, was du gerade machst.“
„Irgendwann musst auch du schlafen.“
„Hanna, deine Mutter ist bereits in
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