Happy End für Anfänger: Roman (German Edition)
vornehmlich bei der Übertragung von Rugby-Spielen ein, und so hockte ich drei Jahre lang jeden Samstag in einer Ecke des Rundfunkübertragungswagens und übermittelte live den Punktestand, während sich die Jungs über Analsex ausließen. Nach einem ganz besonders ätzenden Samstag im Jahre 2005, in dessen Verlauf man mich gebeten hatte, als Preisrichterin bei einem »Wer hat die größten Eier?«-Wettbewerb zu fungieren, warf ich das Handtuch und kündigte. Trotz der verschwindend geringen Chancen gelang es mir, einen Job als Depp für alles bei den Achtzehn-Uhr-dreißig-Nachrichten des Fernsehsenders ITN an Land zu ziehen. (Ich nehme stark an, dass ich ihn bekam, weil Stella Sanderson, die leitende Producerin, die für meine Anstellung verantwortlich war, ihre Karriere ebenfalls als Hoden-Richterin beim Sky-Rugby-Team begonnen hatte. »Geht es in den Übertragungswagen immer noch in erster Linie um das Thema männliche Genitalien?«, fragte sie mich bei meinem Einstellungsgespräch. Ich lief rot an und sprach über meine überwältigende Leidenschaft für das aktuelle Zeitgeschehen. Sie nickte mitfühlend und kritzelte etwas an den Rand meines Lebenslaufs.)
Ich war fünfundzwanzig, als mein Leben endlich richtig losging. In diesem Alter fingen meine Freunde bereits wieder an, einen Takt runterzuschalten, sich häuslich niederzulassen und Erwachsenendinge zu tun – feste Beziehungen eingehen etwa und schwanger werden. Ich hingegen stürzte mich – wild und leidenschaftlich – in meine Arbeit und zog in eine sonderbare, in Wohnraum umgewandelte kleine Autowerkstatt in einer unbedeutenden Seitenstraße der Camden Road ein. Ich konnte mir meine neue Bleibe nur leisten, weil man beim Umbau – inklusive der schräg zum Boden abfallenden Decken – offenbar Zwerge vor Augen gehabt hatte. Immerhin gab es eine Nasszelle und einen großen Hof, in dem Duke Ellington die dort lebenden Mäuse und Vögel terrorisieren konnte, also schlug ich sofort zu und überzeugte mich selbst davon, dass große Dinge auf mich warteten.
Ich war der Unterhaltung-und-Kultur-Redaktion zugeteilt worden und hatte daher im Schlepptau unseres Korrespondenten kreuz und quer durch London zu traben, bewaffnet mit vergessenen Starbucks-Bechern und kaputten Stativen. Ab und an kümmerte ich mich auch um Studiogäste und musste mir von Pierce Brosnan anhören, dass meine Gastfreundlichkeit viel mit sexueller Belästigung gemein habe.
Alles in allem waren meine Aufgaben ziemlich unglamourös, auch wenn Leonie und meine Mutter vom Gegenteil ausgingen. Ständig jubelte man mir die ätzendsten Jobs unter, einen Dreh bei einer Clique von Cracksüchtigen in einer stinkenden Gasse zum Beispiel. Aber ich liebte meine Arbeit, und ich gab alles dafür. Durch sie erst fühlte ich mich lebendig, nützlich, herausgefordert. Ich malte mir aus, wie ich eines Tages in einem Leinenanzug aus einem staubigen, weit entfernten fremden Land berichten würde, und rackerte mich unterdessen mit Kürzungen des Kunstbudgets und gelegentlichen Promi-Skandalen ab.
Kurz nachdem ich bei ITN angefangen hatte, schloss ich Freundschaft mit einem Kameramann namens David – Dave – Brennan. Er war ein großer, ungepflegter Bär von Mann, der anscheinend mit einer Kamera in der einen und einer Selbstgedrehten in der anderen Hand auf die Welt gekommen war. Er war für seine seltsamen Vorlieben bekannt: Einmal hatte ich ihn in seinem Van sitzend angetroffen, wo er Aal in Aspik aß und lauthals Kuschelrocklieder mitsang; ein andermal tauchte er zu Aufnahmen im Buckingham-Palast mit einem Pulli auf, der mit vögelnden Wichteln bedruckt war.
Dave kam aus Glasgow, war supertough und hatte nach einem längeren Einsatz im Irak gerade erst zu den Inlandsnachrichten gewechselt. Obwohl er einen Finger wegen eines umherfliegenden Schrapnells verloren und sich zehn Tage ohne Essen in einer belagerten Stadt versteckt hatte, hatte er nicht nach England zurückkommen wollen; das hatte er nur getan, weil seine Freundin ihm gedroht hatte, andernfalls Hackfleisch aus ihm zu machen. Wegen seines sonnenverbrannten Gesichts und der wuchernden Gesichtsbehaarung hatte ich nie so recht schätzen können, wie alt Dave war, doch ich tippte grob auf Ende dreißig. Wie dem auch sei, bei ITN war er eine Legende, der beste und tapferste Kameramann, den wir je gehabt hatten. Alle hörten auf ihn. Aufgrund der ziemlich unterschiedlichen Schwerpunkte unserer Nachrichtenredaktionen arbeitete ich nur äußerst
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