Happy New Year in Virgin River (German Edition)
neugierig zu machen, musste eine Frau ihn zum Lachen bringen, sie musste klug sein, freundlich, lebhaft und von anderen Dingen bewegt sein als von ihrem Äußeren. Vor allem musste sie
positiv
sein. Bislang hatte diese Frau hier, diese Sunny, außer ihrem Aussehen nichts, das ihn ansprach, und das reichte ihm nicht. „Die Ruhe“, wiederholte er. „Sonst noch etwas?“
„Ja. Dazu brauche ich keine anderen Leute. Das kann ich ganz alleine machen.“
„Es ist pure Neugier, aber sind Sie immer so unzugänglich oder nur auf Silvesterpartys?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Eigentlich meistens.“
„Verstehe. Noch eine letzte Frage: Werden Sie mich fotografieren?“
„Aus welchem Anlass?“
Ihm fiel partout nichts ein. „Ein Passfoto?“, antwortete er schließlich.
„Tut mir leid. Passfotos mache ich nicht.“
Er lächelte sie an. „Also, Sunny, sie haben Glück. Mehr fällt mir jetzt wirklich nicht mehr ein. Ich werde tun, was Sie sich offensichtlich wünschen, und lasse Sie jetzt in Ruhe.“
Oh, ich bin so eine Zicke, dachte Sunny, während sie zusah, wie Drew sich durch die Menge schob, um wieder zum Tresen zu gelangen. Als er sich auf den Hocker neben ihren Onkel setzte, wäre sie am liebsten im Boden versunken, so peinlich war ihr das. Sie war vernarrt in ihren Onkel Nate und wusste, dass er sich um sie sorgte und es schwer für ihn gewesen war, mit ansehen zu müssen, wie sie an dem Tag, der der schönste ihres Lebens hätte sein sollen, leiden musste. Und sicherlich war es unerträglich für ihn, zu sehen, dass sie nach so langer Zeit noch immer damit zu kämpfen hatte. Aber auch wenn sie wusste, dass Nate nichts als Mitgefühl für sie empfand, war ihr klar, dass ihm angesichts ihrer Bitterkeit, die man schon fast als feindselige Grundhaltung bezeichnen konnte, nach einem Jahr allmählich die Geduld ausging.
Damit stand er im Übrigen nicht allein. Auch ihre Freundinnen versuchten sie zu ermutigen, den Liebeskummer loszulassen und mal einen Schritt nach vorne zu machen. Wenn sie sich auf keine Dates mehr einlassen wollte, gut, aber die ganze Zeit so sauer durch die Gegend zu laufen belastete nicht nur die Freundschaft, es schadete auch dem Geschäft. Und sehr oft bekam sie zu hören, dass sie ja erst fünfundzwanzig sei! Sunny war sich nicht ganz sicher, ob damit gemeint war, dass fünfundzwanzig so jung sei, dass es den großen Fehler entschuldigte, den sie sich mit Glen erlaubt hatte, oder ob es bedeuten sollte, dass sie noch Jahrzehnte Zeit hätte, um den Richtigen zu finden!
Und Annie hatte sich kurz nach ihrer Ankunft in Virgin River zu ihr gesetzt und gesagt: „Diese Wut wird dir nicht helfen, deinem Leben eine positive Wendung zu geben, Sunny. Du bist nicht die Einzige, die sitzen gelassen wurde. Ich musste damals feststellen, dass der Mann, den ich heiraten wollte, gleich drei Vollzeit-Freundinnen beschäftigt hatte, mit denen er zusammenlebte. Jede von uns war in Wirklichkeit natürlich nur eine Teilzeit-Kraft.“
„Wie hat er das denn geschafft?“ Sunny war völlig baff und neugierig.
„Offensichtlich hat er seinen Kalender sehr sorgsam geführt. Er war Verkäufer und ist viel gereist. Wenn ich dachte, dass er landwirtschaftliche Geräte verkauft, war er in Wirklichkeit bei einer seiner anderen Freundinnen.“
„Oh mein Gott! Du hättest ihn bestimmt am liebsten
umgebracht!“
„Natürlich. Irgendwie hatte ich darauf gehofft, dass mein Vater oder einer meiner Brüder das für mich erledigen wird, aber das haben sie nicht, und dann war ich auch schon darüber hinweg. Sicher, ich wurde nicht wie du vor dem Altar sitzen gelassen – in einem sehr teuren Hochzeitskleid, das bezahlt war und nicht zurückgegeben werden konnte. Die Demütigung und den Schmerz kann ich mir nicht mal vorstellen. Aber ich war sehr wütend. Heute bin ich nur noch dankbar dafür, dass ich es geschafft habe, darüber hinwegzukommen, denn sonst hätte ich Nate niemals eine Chance gegeben. Und dein Onkel Nate ist das Beste, das mir je begegnet ist.“
Sunny wollte Annie sagen, dass der Schmerz und die Demütigung nicht mal das Schlimmste waren. Viel mehr machte ihr zu schaffen, dass Freunde und Familienangehörige sie
bedauerten
, weil sie verlassen wurde. Was mochte mit ihr nicht stimmen, dass er so etwas tun konnte?
Wenn sie darüber nachdachte, fielen ihr die Gründe ein: Ihre Nase war zu lang, ihre Stirn viel zu hoch, ihr Busen zu klein, die Füße zu groß, ihre Hüften zu breit, sie hatte das
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