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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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sich abspielte.
    Die Frau sagte etwas zu mir, aber ihr Mund bewegte sich zu schnell, ich konnte nichts lesen.
    »Könnten Sie bitte etwas langsamer sprechen? So gut bin ich im Lippenlesen nun auch wieder nicht.«
    ›Ziehen Sie das bitte über.‹ Sie sprach nun langsam und mit weit geöffnetem Mund. Große Lust, das Ölzeug anzuziehen, hatte ich eigentlich nicht, aber da ein Wortwechsel zu viel Mühe gemacht hätte, folgte ich stumm ihren Anweisungen. Ich zog meine Joggingschuhe aus und die Stiefel an und streifte mir den Gummimantel übers Sporthemd. Er war schwer wie Blei, und die Schuhe waren ein oder zwei Nummern zu groß, aber auch dazu sagte ich nichts.
    Die Frau trat vor mich hin, knöpfte mir den Mantel bis zu den Knöcheln zu und zog mir die Kapuze über den Kopf. Dabei berührte meine Nasenspitze ihre glatte Stirn. »Wie das duftet!«, sagte ich. Ein Lob für ihr Eau de Parfum.
    ›Danke‹, sagte sie und hakte mir den Kapuzenverschluss bis unter die Nase zu. Dann zog sie mir über der Kapuze die Schutzbrille zurecht. Ich sah aus wie eine für Regenwetter zurechtgemachte Mumie.
    Anschließend öffnete sie eine Tür des Einbauschrankes, zog mich an der Hand hinein, machte Licht und zog mit der freien Hand die Tür hinter uns zu. Wir befanden uns in einem Kleiderschrank. Kleider hingen allerdings keine da, nur ein paar Bügel und Mottenkugeln. Das musste, stellte ich mir vor, ein als Schrank camouflierter geheimer Durchgang oder etwas in der Art sein. Mich in Ölzeug verpackt in einen gewöhnlichen Kleiderschrank zu schieben hätte keinen Sinn gemacht.
    Die Frau fummelte an einem Metallgriff in der Ecke, worauf sich schließlich wie erwartet die Stirnwand zu uns auftat – ein Loch von der Größe eines Kleinwagenkofferraumes. Das Loch war rabenschwarz, und deutlich war zu spüren, wie es kalt und feucht daraus hervorwehte. Eine nicht gerade angenehme Brise. Außerdem war ununterbrochenes Rauschen zu hören, wie von einem Flusslauf.
    »Da drinnen fließt ein Bach«, sagte die Frau. Das Rauschen, schien mir, verlieh ihrem tonlosen Sprechen ein wenig mehr Realität. Als ob sie wirklich spräche, die Stimme aber vom Rauschen des Baches unterdrückt würde. Ich hatte den Eindruck, sie so besser verstehen zu können. Merkwürdig, aber wahr.
    »Gehen Sie einfach nur bachauf, dann kommen Sie an einen großen Wasserfall; den durchqueren Sie. Dahinter liegt das Labor meines Großvaters. Das sehen Sie dann schon.«
    »Dort erwartet mich Ihr Großvater, ja?«
    »Ja«, sagte sie und reichte mir eine große, mit einer Riemenschlaufe versehene wasserdichte Taschenlampe. Eigentlich hatte ich nur wenig Lust, mich in das schwarze Loch zu begeben, aber was sollte ich jetzt noch groß drumrum reden. Ich riss mich zusammen und stellte ein Bein in die Finsternis, die weit das Maul aufsperrte. Dann duckte ich mich, steckte Kopf und Schultern hinein und zog das andere Bein nach. In dem steifen Ölzeug war das eine ziemlich mühselige Angelegenheit, aber dann hatte ich den Ortswechsel vom Kleiderschrank zur rückwärtigen Seite der Wand geschafft. Dann schaute ich das dicke Mädchen im Kleiderschrank an. Durch die Schutzbrille gesehen wirkte es von dem dunklen Loch aus unendlich süß.
    »Nehmen Sie sich in Acht! Nicht vom Bach entfernen, und auf keinen Fall abbiegen. Immer geradeaus!«, sagte sie. Sie beugte sich vor und sah mir ins Gesicht.
    »Geradeaus: Wasserfall«, sagte ich laut.
    »Geradeaus: Wasserfall«, wiederholte sie.
    Versuchsweise formte ich die Lippen zu einem lautlosen ›Sela‹. Sie lächelte und grüßte zurück: ›Sela‹. Dann schloss sich krachend die Tür.

    Als die Tür zu war, stand ich in völliger Dunkelheit. In völliger Dunkelheit im wahrsten Sinne des Wortes, keine Nadelspitze Licht drang herein. Ich konnte nichts, absolut nichts sehen. Nicht einmal meine Hand, die ich mir vor die Augen hielt. Benommen, wie von etwas niedergestreckt, blieb ich erst mal eine Weile stehen. Kalte Hilflosigkeit überkam mich, ich fühlte mich wie ein Fisch, schön verpackt in Frischhaltefolie und ab in den Kühlschrank: Tür zu, peng! Wenn man unvorbereitet in völlige Dunkelheit geworfen wird, weicht einen Moment lang alle Kraft aus dem Körper. Das Mädchen hätte mich, wenn es die Tür schon zumachte, wenigstens warnen müssen.
    Als ich den Schiebeschalter der Taschenlampe ertastet hatte, durchbrach in kerzengeradem Strahl altvertrautes gelbes Licht die Dunkelheit. Zunächst strahlte ich meine Füße an, dann leuchtete

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