Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Wißbegierigen im Dorf sich wieder zerstreut hatten, fanden sich Harka, Harpstennah und Kraushaar auf der Kuppe des Sandhügels zusammen.
    »Nun beraten wir«, sagte Harka. »Was denkt ihr?«
    »Die Spur soll etwa zwei Tage alt sein«, sagte Kraushaar.
    »Ja, das habe ich auch gehört«, bestätigte Harpstennah.
    »Was bedeutet das?« fragte Harka die Gefährten.
    »Entweder es ist der gleiche Bär, oder es ist ein anderer«, sagte Kraushaar. »Wenn es der gleiche Bär ist, dem Langspeer und Gelbbart begegnet sind, so ist er ebenso wie diese beiden aus den Bergen weggelaufen und in die Nähe unserer Zelte gekommen. Mattotaupa und seine drei Krieger haben dies entweder bemerkt und sind mit dieser Fährte zu unseren Zelten umgekehrt – oder sie haben es nicht bemerkt und suchen in den Bergen. Vielleicht ist es auch ein anderer Bär.«
    »Niemals halten sich viele Graubären in der gleichen Ge- gend auf. Aber zwei, das ist möglich«, bemerkte Harpstennah.
    »Hau, das ist möglich. Was tun wir jetzt?«
    »Wir suchen um das Dorf herum nach weiteren Bärenspuren. Das kann uns niemand verwehren«, schlug Harpstennah vor.
    »Sein Rat ist gut.« Harka und Kraushaar waren einverstanden.
    »Wie gehen wir vor?« fragte Harka.
    »Ich denke so«, meinte Kraushaar: »Entweder ist der Bär drei Pfeilschuß weit an unseren Zelten vorbeigelaufen, oder er hat sich vielleicht an irgendeiner Stelle unseren Zelten noch mehr genähert. Das wollen wir untersuchen. Wir suchen ganz gründlich rings um das Dorf.«
    »Tun wir das.«
    Unter der Führung Harkas, der das Lesen von Fährten schon am besten gelernt hatte, schlichen die drei Jungen den ganzen Nachmittag um das Dorf herum. Sie beachteten jede geringste Spur, und bei den zahlreichen Bewohnern der Zelte gab es viele Fährten. Aber sie konnten zu ihrem Leidwesen nichts finden, was auf die Anwesenheit eines Graubären hingedeutet hätte.
    Mit Einbruch der Dunkelheit kamen Gefiederter Pfeil und vier seiner sieben Krieger zurück. Auch sie hatten nicht viel ausgerichtet. Zwei weitere Spuren hatten sie entdeckt, die von dem gleichen Tier zu stammen schienen. Sie deuteten darauf hin, daß es ostwärts gelaufen war. Diesen andeutenden Spuren waren drei der Krieger weiter gefolgt. Als Gefiederter Pfeil im Zelt Fremder Muschel im Beisein der Kinder darüber berichtete, schien es diesen, daß der stellvertretende Häuptling mit dem Gang der Ereignisse nicht zufrieden war. Er äußerte dies zum Schluß auch ausdrücklich:
    »Unsere Krieger ziehen dahin und dorthin – vier nach Westen, drei nach Osten, und dies sind nicht die schlechtesten, die wir auf diese Weise entbehren müssen.«
    Die Sache mit dem Bären beschäftigte die Kinder sehr. Die drei Jungen hockten den ganzen Abend zusammen, und schließlich blieben Harka und Harpstennah im Zelt von Fremde Muschel, um bei Kraushaar zu schlafen. Es war nichts Ungewöhnliches, daß Kinder einmal bei Nachbarn, Freunden oder Verwandten nächtigten.
    Das Feuer wurde gedeckt, und die drei kuschelten sich nebeneinander in die Decken. Fremde Muschel war nicht im Zelt. Er hatte zu Beginn der Nacht die Wache bei den Pferden übernommen.
    So blieben die Kinder mit den fünf Frauen im Zelt allein. Harka war noch wach, als seine beiden Gefährten schon fest eingeschlafen waren. Er vernahm Geflüster bei den Frauen und begann zu horchen, was sie sagten.
    Deutlich hörte er die Stimme der Großmutter »Gefleckte Kuh« heraus.
    »Es wird ein Unglück geschehen«, flüsterte sie.
    »Husch, husch.« Die vier anderen Frauen rückten zusam- men wie bedrohte Vögel im Nest.
    »Der Bär wird uns bestrafen.«
    »Husch, husch«, hauchten die vier Frauen verängstigt.
    »Sein Geist ist beleidigt!«
    »Husch … husch …«
    »Alle, die auf den Geist geschossen haben, werden von ihm verfolgt werden. Glaubt mir das!«
    »Husch – husch …« Die Frauen krochen immer enger zusammen. »Der Gelbbart – Schonka – Harka – Harpstennah – das ganze Zelt des Häuptlings!« »Husch … husch … husch!«
    »Jetzt schweigt ihr aber!« sagte Harka laut und bestimmt.
    Die Frauen verstummten. Sie wickelten sich in ihre Decken und schienen einzuschlafen. Nur die Großmutter murmelte noch immerzu Unverständliches vor sich hin.
    Harka beneidete Fremde Muschel und Kraushaar nicht um diese vielen Frauen, von denen sie bedient wurden. Er freute sich darauf, in der nächsten Nacht wieder im väterlichen Zelt zu schlafen.
    Zunächst fühlte er sich schon erleichtert, als die ersten

Weitere Kostenlose Bücher