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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nichts berichten konnte, vertrieb er sich die Zeit damit, dem Knaben das Funktionieren seiner Waffe zu zeigen; wie man sie lud, wie man sie entlud. Er gab sie dem Knaben entladen in die Hand und ließ ihn anlegen; es zeigte sich, daß Harka schon beobachtet hatte, wie dies zu geschehen habe. Das Gesicht des Knaben war ganz Spannung, Entschlossenheit, beherrschte Erregung. Er schien über dem Mazzawaken sogar den Bären zu vergessen. Der Weiße sagte etwas, was Harka nur halb verstand, aber nach dem Mienenspiel zu schließen, mußte es ein Lob gewesen sein. Wenn der Weiße in den Knaben hätte hineinsehen können, so würde er erfahren haben, wie sehr dieser ihm schon zugetan war.
    Harka wurde in dem Studium der geheimnisvollen Waffe unterbrochen, da Fremde Muschel ins Zelt kam. Der große dunkelhäutige Afrikaner war vom Regen triefend naß, hatte aber keinerlei Verletzungen. Nachdem er sich an der Feuerstelle niedergelassen und aus der Hand des Malers eine Zigarre entgegengenommen hatte, begann er das zu berichten, was alle zu erfahren wünschten. Harka legte das Mazzawaken ohne Geräusch beiseite.
    »Es ist geschehen, als Schonka bei den Pferden wachte«, erzählte Fremde Muschel. »Die Hunde wurden unruhig, und auch die Pferde rührten sich. Es regnete, Schonka konnte nichts sehen. Er lief nach der Seite hin, von der die Pferde wegdrängten, dort mußte die Gefahr sein. Plötzlich stand er in Nacht, Regen und Wind einem furchtbaren Bären gegenüber, der sich aufgerichtet hatte und ihm den Speer aus der Hand schlug. Schonka rief laut und duckte sich zwischen die Pferde, denn es war ihm unmöglich, in der Nacht einen Bären mit dem Messer zu erlegen. Das kann nicht einmal ein Mann. Schonka aber ist ein junger Bursche. Auf seinen Ruf hin eilten viele Krieger herbei. Der Bär hatte ein Fohlen niedergeschlagen und wollte es an Ort und Stelle fressen oder wegschleppen. Aber die Unruhe störte das Raubtier, und es lief davon. In der Nacht können die Männer seine Spuren nicht erkennen. Morgen wollen sie den Fährten folgen, wenn es nach dem Regen noch möglich ist, sie zu finden.«
    »Und jetzt?« fragte der Maler. »Wo sind die Männer?«
    »Sie sind alle mit ihren Speeren auf Wache, wenn das Untier noch einmal angreifen sollte. Wahrscheinlich kehrt der Bär nicht zurück, sagen sie, aber möglich ist es doch.«
    Fremde Muschel rauchte seine Zigarre schnell zu Ende und ließ sich gern die nächste geben. Im Augenblick konnte niemand etwas unternehmen, aber an Schlafen dachte vorläufig auch keiner der Zeltinsassen. Man mußte die nächtlichen Wartestunden irgendwie hinbringen.
    Harka begann wieder, sich mit der Flinte zu beschäftigen.
    Der Weiße sah ihm zu. »Ist dir noch etwas unklar?« fragte er nach einiger Zeit. Harka hatte diese Frage schon verstanden, ehe Fremde Muschel übersetzte.
    »Yes«, antwortete er und fügte in der Dakotasprache hinzu: »Wie kann ein Mann sich eine solche Waffe beschaffen?«
    Gelbbart lachte. »Man muß sie kaufen. Ich meine, gegen irgend etwas eintauschen.«
    »So leicht ist eine solche Waffe zu bekommen?« Harkas Augen leuchteten auf.
    »Ja und nein. Sie ist teuer. Ein Indianer müßte viele Felle dafür geben oder …« Der Maler stockte.
    Harka wartete ruhig, ob er weitersprechen würde. Doch schien der Maler nicht die Absicht zu haben.
    Fremde Muschel aber sprach zwischen zwei Zügen an der wohlduftenden Zigarre die Gedanken aus, die Gelbbart verschwieg.
    »Oder Geld oder Gold«, sagte er.
    Harka senkte die Augen. Es schoß ihm durch den Kopf, daß er für das Goldkorn, das er am Fluß gefunden hatte, ein Mazzawaken hätte kaufen können! Nun aber besaß Hawandschita dieses Zauberkorn. Wie hatte doch Kraushaar gesagt? Man muß die Geheimnisse der weißen Männer kennenlernen und sie beherrschen. Vielleicht hatte Kraushaar doch recht. Oder nicht?
    Es gab so viele schwierige Fragen.
    Harka konnte sich von der Flinte nur schwer trennen. Da Gelbbart es ihm erlaubte, blieb er mit der Waffe am Feuer sitzen und bespiegelte Lauf und Schloß immer wieder im Schein der Flammen. Ob Weitfliegender Vogel Gelbbart ihm am nächsten Tage erlauben würde, einmal, wenigstens ein einziges Mal! – mit dieser Waffe einen Schuß abzugeben?
    »Weitfliegender Vogel, Geschickte Hand, Geheimnisstab«, sprach Harka den Weißen nach einer langen Pause förmlich an. »Wie denkst du über Zauber?«
    Der Maler war von der Frage überrascht und überlegte sich die Antwort sorgfältig. Sagte er »das gibt es

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