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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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frage ich dich, obgleich du erst den zwölften Sommer siehst, willst du mit mir kommen?« Der Häuptling sah seinen Sohn prüfend an. Er blickte nicht nach Schonka hin, der im Zelthintergrund bei Harpstennah saß.
    »Ich komme mit dir, Vater«, antwortete Harka fest und ohne jedes Zögern.
    »Du fürchtest dich nicht vor den Tatzen des Bären?«
    »Nein, Vater«, antwortete Harka, »mit dir zusammen fürchte ich mich nicht.«
    »Du fürchtest dich nicht vor dem Bärengeist?«
    »Nein, Vater«, antwortete Harka, auch jetzt mit fester Stimme. Aber er war blaß geworden. »So wirst du morgen mit mir kommen, Harka Steinhart.«
    »Ich komme mit«, wiederholte Harka.
    Dann ging der Junge zu seiner Schlafstatt nahe des Zelteinganges. Er legte sich hin und schlief sogleich fest. Alles war so klar, so einfach und sicher, seitdem der Vater zurückgekehrt war. Mattotaupa hatte große Beute gemacht, er würde den Bären besiegen und seinen Bruder rächen. Harka aber durfte ihm dabei helfen. Alles war gut so, hau.
    Als die Nacht wich und die Kraft des Sonnenlichts alle Farben wieder zum Leben erweckte, war auch das Dorf der Bärenbande schon lebendig. Niemand schloß sich davon aus, den Häuptling Mattotaupa und seinen Sohn Harka bis zum Rand des Gehölzes oder noch ein Stück in die Prärie hinaus zu begleiten. Mit lauten aufmunternden Rufen umschwärmten die Burschen und Knaben die beiden Ausziehenden.
    Mattotaupa hatte sich auf seine Weise zum Kampf gerüstet. Er trug nur die Leggings und Mokassins. Sein Oberkörper war nackt, glatt, eingefettet. Sein Gesicht war mit roter Farbe bemalt, der Farbe des Blutes, des Lebens und des Kampfes. Weder Speer noch Bogen hatte er bei sich, nur das Messer. Harka führte sein Messer und die elastische Keule mit sich. Er folgte auf seinem Büffelpferd in der Spur des Vaters.
    Die beiden schlugen einen leichten Galopp an. Es ritt sich gut über die morgendliche Prärie, von der Sonne hell beschienen, vom Wind umweht, mit dem Blick in die Weite des Landes, das sich zu Füßen der fernen Berge breitete.
    Mattotaupa führte südwärts. Nachmittags war der Hügel erreicht, auf dem Mattotaupas Bruder in der verhängnisvollen Nacht mit seinen beiden Kriegern gerastet hatte. Vater und Sohn stiegen bei der alten Feuerstelle ab, machten ihre Pferde fest, so daß sie weiden, aber nicht entlaufen konnten, und hielten ein kleines Mahl aus ihrem Vorrat. Dann stiegen sie vorsichtig den Hügel hinab, suchten und fanden nach den Spuren die Stelle, an der Mattotaupas Bruder von dem Bären getötet worden war.
    Darauf kehrten sie auf den Hügel zu ihren Mustangs zurück. Mattotaupa beobachtete das Verhalten der Tiere sehr genau. Sie waren vollkommen ruhig und unbesorgt. Nicht einmal Wölfe schienen mehr in der Nähe zu sein. Das Jaulen, mit dem einige dieser Raubtiere die hereinbrechende Nacht begrüßten, klang schwach von fern.
    Der Mond zog herauf. Er zeigte sich mit seiner vollen runden Scheibe und beleuchtete das Land; alle Konturen erschienen deutlich in seinem Schein, wenn auch farblos- unwirklich.
    »Bleib vorläufig hier, aber schlafe nicht ein«, sagte Mattotaupa zu Harka. »Ich reite noch umher. Der Mond scheint so hell, daß ich vielleicht noch etwas finden kann. Falls du selbst in Gefahr kommst, entfliehe sofort auf deinem schnellen Büffelpferd.«
    »Kann ich nicht mit dir kommen, Vater?«
    »Auch das, wenn du nicht zu müde wirst.«
    »Ich werde nicht müde.«
    »Also gut.«
    Die beiden ritten nach der kurzen Rast weiter umher. Auf einmal stieß Mattotaupa einen Ruf der Überraschung aus und hielt an. Auch Harka griff sofort in die Zügel, um sein Tier zum Stehen zu bringen.
    »Harka – hier! Was siehst du da?«
    »Bärenspuren, Vater!«
    »Ja, Bärenspuren. Alte oder neue?«
    »Ziemlich neue, Vater. Vielleicht einige Stunden alt.«
    »So ist es. Und in welche Richtung ist der Bär gelaufen?«
    »In die Richtung, aus der wir gekommen sind!«
    »Ja. Was tun wir?«
    »Wir folgen dieser Fährte, Vater!«
    »Hau. Komm!« Mattotaupa wendete das Pferd, ritt im Schritt, ließ sich tief vom Pferderücken herabhängen und hielt die Augen immer auf den Boden geheftet, die Fährte verfolgend. Da, wo er sie gefunden hatte, war sie sehr deutlich gewesen, das hohe Gras war niedergetreten. Aber dann kamen sandige Strecken mit hartem Gras, das in Büscheln wuchs, und hier wurde es schwer, die Fährte nicht zu verlieren. Mattotaupa und Harka stiegen ab.
    Oft mußten sie mühsam von einem Eindruck zum anderen

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