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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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suchen. Viel Zeit verging, bis sie eine kleine Strecke zurückgelegt hatten. Aber die Richtung der Fährte blieb unverkennbar. Sie führte stracks zum Pferdebach in die Gegend, in der die Zelte standen.
    Mattotaupa und Harka wechselten keine unnützen Worte. Aber sie stellten sich beide dieselbe Frage: Lief der Bär noch einmal zum Dorf, um ein Fohlen zu schlagen? Wie würden die Männer sich dort verhalten?
    Die Nachtstunden gingen dahin. Mattotaupa legte eine Rast ein und ließ den Jungen schlafen. Er selbst sorgte sich nicht um eine schlaflose Nacht. Er wäre nie ein Krieger der Dakota geworden, wenn er nicht vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf und Essen auszuhalten gelernt hätte.
    Die Sonne war längst aufgegangen, und es war hoher Vormittag, als Mattotaupa und Harka der Fährte folgend wieder bis zu den Tipi der Bärenbande zurückgelangten. Fremde Muschel, Langspeer und Tschetan erwarteten sie schon außerhalb des Gehölzes.
    Von der Wiese inmitten des Gehölzes, vom Dorfplatz her erscholl das dumpfe Trommeln des Zaubermannes und das laute Brummen der Männer im Bärentanz.
    Mattotaupa begrüßte die beiden Krieger, die ihm entgegengekommen waren, und Harka begrüßte Tschetan.
    Während die Männer über das gleiche Thema miteinander sprachen, sagte Tschetan zu Harka: »Da seid ihr wieder. Wir sehen, daß ihr die Fährte des Bären entdeckt und sie richtig verfolgt habt. Aber der Bär war etwas schneller als ihr!«
    »Tschetan, wo ist er jetzt? Was ist bei euch geschehen?«
    »Viel, Harka. Wir haben wichtige und merkwürdige Gäste. Tatanka-yotanka ist gekommen – er sitzt im Zelt Hawandschitas – und noch ein weißer Mann ist gekommen, auch ein Zauberer, und ich glaube, er kann mit einem Mazzawaken geschickter umgehen als Gelbbart. Aber alles das werdet ihr mit eigenen Augen sehen. Was den Bären betrifft, so hat er uns heute nacht besucht. Ihr hättet nicht so weit zu reiten brauchen. Er hat wieder ein Fohlen geschlagen, und er hat es weggeschleppt, ohne daß einer unserer Männer noch wagte, dem großen Grauen entgegenzutreten.«
    »Tschetan! Wohin hat er seine Beute getragen? Er kann nicht weit damit gekommen sein!«
    »Du weißt immer alles. Er ist aber doch weit fortgelaufen. Westnordwestwärts an einem kleinen Wasser, das in den Pferdebach fließt, sitzt er und läßt es sich wohl sein.«
    »Ein Bär, der gerissen hat und seinen Teil Fleisch nach- schleppt, macht eine deutliche Fährte!«
    »Eine Fährte, der ein Kind folgen kann!«
    »Wir werden ihn finden und töten!«
    Als Harka diese Worte sprach, sprach er sie fast im gleichen Atemzuge wie sein Vater, der den Bericht von Langspeer und Fremde Muschel angehört hatte.
    Es fiel Harka jetzt erst auf, daß sich keiner der anderen Krieger und Burschen sehen ließ. Viele waren mit dem Bärentanz beschäftigt, andere mochten nur noch den Gedanken haben: Tatanka-yotanka ist hier. Aber lag es allein daran, daß sich niemand weiter sehen ließ?
    Oder hatte Hawandschita etwas gegen das Ansehen des Häuptlings unternommen? Dann war es um so dringender, daß der graue Bär endlich erlegt wurde!
    Mattotaupa und Harka fanden die breite Fährte des Raub- tiers, das seine Beute abgeschleppt hatte, und folgten ihr ohne Mühe. Sie hatten jetzt keinen anderen Gedanken als der Bär, der Bär!
    Die Fährte verlief so, wie Tschetan gesagt hatte, westwärts zu einem kleinen Wasser, dessen Ufer von Weidengebüsch und Bäumchen besäumt war. Die Pferde wurden schon unruhig. Mattotaupa stieg ab, und Harka glitt ebenfalls vom Pferderücken. Die Mustangs wurden festgemacht.
    Mattotaupa zog Harka zu sich heran. »Nun zeige, ob deine Augen scharf sind! Dort, das Gebüsch am Ufer – dort – bei dem Bäumchen, das ein wenig höher ist als die anderen – dort schaut ein Stück Fell eines Fohlens aus Gras und Blättern heraus – kannst du es sehen?«
    »Nein, Vater. Doch – ja – doch – Vater, ich kann es erkennen!«
    »Dorthin führt auch unsere Fährte. Aber weiter führt sie nirgends.«
    »So ist es, Vater.«
    »Also muß dort am Ufer im Gebüsch der Bär noch versteckt sein und den Rest seiner Beute fressen.«
    »Hau.«
    »Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter! Ich erkläre dir jetzt unseren Kriegsplan, in dem du eine wichtige Aufgabe hast, wie sie sonst nur von einem Mann übernommen wird. Du sollst den Bären reizen, so daß er aus dem Gebüsch hervorkommt und nur auf dich achtet, weil er dich angreifen will. Ich werde, vom Bären zu spät bemerkt, herbeispringen und

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