Harka der Sohn des Haeuptlings
Steine und einen alten Baumstamm zur Flußmitte, wo das Wasser in einer tiefen Rinne schnell flutete. Mit einem schrillen Ruf verhöhnte er Schonka, der eben triefend wieder auftauchte und sofort auf den Knaben losrannte. Harka ließ ihn bis auf Armlänge herankommen, dann schoß er wie ein Hecht in die Flußrinne und schwamm unter Wasser abwärts.
Schonka folgte ihm nicht. Er blieb stehen und beobachtete, wo Harka auftauchen würde; einen Stein nahm er als Wurfwaffe zur Hand.
Harka spürte, daß er fast zuviel gewagt hatte. Das Wasser war, von der Schneeschmelze gespeist, von beißender Kälte, und dem jungen Schwimmer begannen Hände und Füße abzusterben. Er wollte durchaus unter Wasser bleiben, bis er die nächste Biegung gewann und hinter einem großen Felsblock, von Schonka ungesehen, die Flußrinne verlassen konnte. Er fühlte, wie ihm die Kälte ans Herz ging und die gefährliche verführerische Müdigkeit über ihn kam, die die Energie lähmte und den Übergang zur Ohnmacht angenehm wie das Einschlafen erscheinen läßt. Aber die Vorstellung, wie lächerlich es sei, bei einem Spiel umzukommen, spornte ihn von neuem an, und er kraulte mit aller Anstrengung noch ein Stück, bis er wahrnahm, daß er die Biegung gewonnen hatte. Da faßte er Grund, kroch schnell aus dem Wasser und duckte sich, naß und vor Kälte schlotternd, hinter den Felsblock. Er konnte Schonka sehen, der langsam über Sand und Geröllstreifen flußabwärts ging, den Stein noch in der Hand. Oben am Fluß hatte die Horde der Jungen Hunde alle Spiele abgebrochen, um Schonka und den Ausgang seines Kampfes mit Harka zu beobachten. Einige rannten am Ufer abwärts, sie wollten in der Nähe sein.
Schonka steuerte direkt auf den Felsblock zu, hinter dem Harka hockte. Vielleicht wollte er von diesem Block Ausschau halten. Harka zog den Kopf ein und schmiegte sich dicht am Boden an den Fels. Er konnte Schonka nicht mehr sehen, um so aufmerksamer lauschte er.
Es wurde rasch dunkel, schon blinkten die ersten Sterne.
Harka bemerkte, wie der andere sich auf den Block schwang. Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Er schnellte hoch, sprang auf den Block, warf sich auf den überraschten Schonka und brachte ihn zu Fall. Beide stürzten von dem Felsblock in den Flußsand. Harka riß dem Gegner die Krähenfeder vom Schopf und jagte mit einem lauten Siegesruf in den Wald. Ein verdoppeltes Triumphgebrüll der Jungen Hunde belohnte diesen endgültigen Sieg ihres Anführers über den älteren Burschen.
Zwischen den Bäumen begegnete Harka seinem Freund Tschetan, der ihn mit den drei jungen »Rabenbrüdern« zusammen laut lachend und sehr lobend begrüßte.
Unterdessen hatte sich Schonka erhoben. Mit gespielt verächtlicher Haltung gegenüber der Knabenhorde verließ er den Schauplatz seiner Niederlage. In seinem Innern brannte die Wut, daß er unterlegen war. Über den Grund seines Versagens war er sich selbst nicht ganz klar. Er war stark, auch schnell. Wenn er Harka fassen konnte, hatte der Junge nichts zu lachen. Aber immer wieder überlistete ihn der Jüngere. Harka war mit seinen Gedanken rascher als Schonka, und darum konnte er auch rascher und überraschender handeln. Er konnte besser kombinieren. Meist erriet er, was Schonka in einer gegebenen Situation tun würde, aber Schonka konnte nie berechnen, wie Harka sich verhalten werde.
Langsam ging Schonka um das Zeltdorf herum. Er brütete darüber, wie er sein Ansehen wiederherstellen und Harka einen Denkzettel geben könne. Die Vorstellung, daß man eine Scharte auswetzen müsse, war unter der Jugend des Indianerdorfes selbstverständlich.
Nach langem Nachdenken kam Schonka zu dem Entschluß, an diesem Abend nichts mehr zu unternehmen. Er wollte warten, es mußte sich eine Gelegenheit finden, sein Vorhaben auszuführen. Mißmutig ging er in das väterliche Zelt.
Dort fand er noch alles so vor, wie es gewesen war, als Harka vormittags von den Ereignissen in der Höhle berichtet hatte. Weißer Büffel lag fiebernd auf seinem Lager. Die Mutter kam jetzt aus dem Hintergrund herbei und flüsterte mit dem Sohn. Sie war voll Angst, daß Weißer Büffel sterben werde. Sollte sie noch einmal den Zaubermann um Hilfe bitten, der schon in der vergangenen Nacht nicht hatte helfen können? Oder vielleicht war ein Dampfbad im Schwitzzelt gut? Oder sie würde zu Untschida gehen, der Mutter Mattotaupas, die von allen Frauen im Dorf die heilenden Kräuter am besten kannte und als »Geheimnisfrau«
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