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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Enden nachschleiften, wurde eine Lederdecke gespannt; in diese Decke legte man die Habseligkeiten, dorthinein setzte man auch die Kinder, die schon zu groß waren, um noch von der Mutter auf dem Rücken getragen zu werden, und auch noch zu klein, um selbst zu reiten. Wagen besaßen die Indianer nicht, da sie keine Räder herstellten.
    Harka und der neunjährige Harpstennah hatten schon eigene Pferde und schwärmten mit den berittenen Burschen und Kriegern um den sich bildenden langen Wanderzug. Die Frauen und Mädchen ritten die Lastpferde. An der Spitze des Wanderzuges fand sich Hawandschita ein, der über achtzigjährige alte Zaubermann, dürr, sehnig, ein wenig gebückt stand er da. Ehe der Zug sich in Bewegung setzte, sprach er das uralte Morgengebet um »Nahrung und Frieden« für die ganze Schar.
    Dann tat er den ersten Schritt, und Mattotaupa, der Kriegshäuptling, trieb seinen Scheckenhengst an, um vorauszureiten und den Zug durch den sturmverwehten Wald hindurch auf die Prärie zu geleiten.
    Der Wanderzug mußte den Fluß durchqueren, an dem die Jungen abends zuvor gespielt hatten. Hawandschita und Mattotaupa führten am Ufer ein Stück flußabwärts, um eine Furt in der Mittelrinne zu benutzen, die den Übergang erleichterte. Harka wußte, daß die Furt tausend Schritte abwärts lag, und da hier, noch in der Nähe des bisherigen Zeltlagers, kaum eine Gefahr drohen konnte und die Ordnung für die begleitenden Reiter daher nicht streng eingehalten wurde, ritt er mit Tschetan zusammen ein Stück voraus. Er fand den Platz, wo sich die Rinne verbreiterte und das Wasser seicht über den Sand flutete.
    Hier hielten Harka und Tschetan an, warteten und schauten sich ein letztes Mal in dieser Gegend um, die sie seit früher Kindheit gut kannten und nun für lange Zeit, vielleicht für immer, verlassen sollten. Die neuen Jagdgründe, das Ziel der Wanderung, lagen mehrere Tagesritte weiter südlich.
    Harkas Aufmerksamkeit richtete sich auf die Verwüstung, die der Sturm auch an den Flußufern angerichtet hatte. Das elastische Weidengesträuch war unversehrt geblieben, aber zwei junge Bäume, die sich auf Schwemmland angesiedelt hatten, waren entwurzelt, und das Wasser sammelte sich in der aufgerissenen Erde. An dieser Stelle blinkte etwas. Harka fiel das auf, und da er Zeit hatte, ritt er hin, um zu prüfen, was denn hier die milchig-blassen Sonnenstrahlen fing und zurückwarf. Er schaute vom Pferd herunter auf den ungewöhnlich glänzenden Gegenstand. Es schien ein kleiner Kiesel zu sein, aber er schimmerte gelb-rötlich, viel schöner als jeder andere, und Harka glitt von dem Pferd, das er sattellos ritt, und bückte sich, um den Fund näher zu betrachten. Es schien wirklich nichts weiter zu sein als ein ungewöhnlicher Stein, den das Wasser früher einmal mitgeführt, dann mit Sand und Erde bedeckt hatte und der jetzt unter den aufgerissenen Wurzeln wieder zutage gekommen war.
    Harka wog ihn in der Hand und steckte ihn dann in einen Beutel am Gürtel, um ihn als Erinnerung mitzunehmen. Von dem Wert seines Fundes hatte er noch keine Ahnung.
    Der Wanderzug näherte sich der Furt wie eine lange Schlange und gewann nach Überwindung einiger Hindernisse im Wald die freie Prärie.
    Der starke Wind wehte von Nordosten; die Mähnen der Pferde und die Haare der Jungen flatterten. Von Südosten her schien die Sonne, der man entgegenreiten mußte. Sie blendete in die Augen. Alle blinzelten und spähten in die große Weite des Graslandes hinaus. Am ersten Tag bewegte sich der Zug noch durch das allen bekannte Gelände; vom Dorf aus hatte man oft Streifzüge in die welligen Wiesen unternommen, um nach Büffelherden Ausschau zu halten. An diesem ersten Tag konnte auch kaum eine Gefahr drohen, denn der Zug befand sich noch in Jagdgründen, die unbestrittenes Revier der mächtigen Dakotastämme waren.
    Das Wetter hellte sich gegen Mittag zusehends auf. Die milchige Atmosphäre wurde kristallklar, und der Nordostwind milderte sich zu einem Luftzug, der mit den vergilbten nassen Gräsern spielte. Harka bedauerte, daß die »Präriehunde«, diese kleinen Nagetiere, klug genug waren, um immer rechtzeitig in ihren Erdlöchern zu verschwinden, wenn der Wanderzug sich ihrem Bau näherte. Er kam nicht dazu, den Pfeil auf sie anzulegen. Die Kinder in den Rutschen ärgerten sich, daß die langen Schweife der Pferde ihnen immer wieder über das Gesicht schlugen. Mit dumpfem Geräusch liefen die vielen unbeschlagenen Hufe über das Grasland.

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