Harka der Sohn des Haeuptlings
Fesseln der Pferde durch und sprangen auf, um die Tiere vor den Wölfen zu retten und ihre Flucht zu lenken. Von den Raubtieren, die sich an den niedergerissenen Pferden festgebissen hatten, wurden viele getötet mit allen Waffen, die eben zur Hand waren.
Harka durfte das Pferd des Vaters jetzt nicht mehr verlassen. Das Tier wollte offensichtlich die anderen zur Flucht auffordern, und Harka gab dem scheinbar nach. Einige berittene und einige ledige Tiere folgten, und es gelang den Reitern, eine regellose Flucht zu verhindern. In weitem Bogen galoppierte das Pferderudel über die nächtliche einsame Prärie wieder zum Zeltlager zurück.
Die Wölfe hatten schon das Weite gesucht, so daß die Pferde sich nicht vor der Rückkehr scheuten.
Aber wie sah es beim Lager aus! Die erste Helle, die den Sonnenaufgang ankündigte, ließ schon alles deutlich erkennen. Zwölf Pferde waren von den Wölfen totgebissen, zum Teil zerfleischt. Neun weitere Pferde waren so schwer verletzt, daß die Männer sie töten mußten. Fünfzehn Tiere fehlten, sie mußten ausgebrochen und entflohen sein. Die Bärenbande hatte über 150 Pferde besessen, fast jedes vierte war verloren, das war ein schwerer Verlust besonders während des Wanderzuges.
Man führte die Tiere zusammen, und zwar am anderen Lagerende, weil der Blutgeruch sie doch noch verstörte, und machte sie wieder fest. Die Frauen holten das Fleisch der toten Tiere. Hawandschita und Mattotaupa verteilten es gerecht auf alle Zelte nach der Zahl der Esser. Kleine Stücke wurden von den Hungrigen gleich roh verzehrt.
Harka hatte den Hengst des Vaters wieder vor dem Zelt angepflockt und ging jetzt umher, um die toten Wölfe zu besehen und die Spuren der nächtlichen Ereignisse zu verfolgen. Er fand den Wolf, den er getötet hatte, und schnitt sich die Ohren als Siegeszeichen ab. Harpstennah, der jüngere Bruder, stand bewundernd dabei. Harka winkte ihm mitzukommen. Er erklärte dem Neunjährigen die Fährten und den Verlauf des Kampfes, damit er etwas lernen konnte. Immer wieder beschaute Harka die erlegten Wölfe. Das große Tier, das er in dem gefährlichsten Augenblick des Kampfes in der Nähe gesehen hatte, war nicht dabei. Harka ging mit dem Bruder vorsichtig das Gelände nach den Wolfsspuren ab. Er konnte die Fährte des großen Wolfes herauskennen. Dieser hatte kräftigere Pfoten und rannte in größeren Sätzen als die anderen. Er war entkommen.
»Dieser Wolf ist ein großer Häuptling unter den Wölfen«, erklärte Harka Harpstennah. »Wir haben an den Fährten gesehen, wie er sein Rudel herangeführt und wie er es geteilt hat, um uns zu überlisten. Viele Wölfe sind getötet worden, aber die anderen sind satt, obgleich es keine Büffel gibt.«
Die Jungen gingen nach ihrem Streifzug zu dem väterlichen Tipi zurück. Im Zelt fanden sie Tschetan und Schonka, die sehr beschämt vor Mattotaupa standen. Harka wäre am liebsten mit Harpstennah zusammen sofort wieder hinausgegangen, denn er wollte nicht, daß der jüngere Bruder mit anhörte, wenn Tschetan, Harkas großer Freund, getadelt wurde. Aber schon war es zu spät, Harpstennah war bereits zur Mutter in den Hintergrund des Zeltes gelaufen, und so blieb auch Harka stehen und hörte sich alles mit an.
»Ihr beiden habt gehandelt wie kleine Mädchen, die sich nicht beherrschen können«, sagte der Kriegshäuptling eben zu den beiden Burschen, und das war die härteste Zurechtweisung, die er aussprechen konnte. »Ihr habt die Pferde verlassen, um Wolfsohren zu erbeuten. Was dann geschehen ist, wißt ihr. Die Krieger der Bärenbande sind der Meinung, daß ihr die Ohren der getöteten Wölfe nicht tragen dürft.« Harka schämte sich tief für seinen Freund Tschetan. Was für eine Schande! Tschetan mußte sehr mutige und gut überlegte Taten vollbringen, um eine solche Schande wieder auszulöschen. Natürlich galt das auch für Schonka, aber an Schonka dachte Harka nicht. Er wandte sich ab, als ob er nichts gesehen oder gehört hätte. Er wollte Tschetan ersparen, vor einem elfjährigen Jungen gedemütigt worden zu sein. Blaß, mit verbissenen Lippen verließen die beiden Burschen den Häuptling, der ihnen das gesagt hatte, was sie sich nun selbst Tag und Nacht sagen mußten, bis sie ihre Schande wieder ausgewetzt hatten.
Mattotaupa gab den Befehl zum Aufbruch.
Die dreißig Zelte wurden abgeschlagen. Eine Anzahl Kinder mußte bei den Müttern aufsitzen oder sich mit einem Platz in einer Rutsche bescheiden, da man nicht mehr
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