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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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werden sie dich ganz gemütlich martern und dich ohne Gewissensbisse zu Tode rösten. Und dein Skalp weht an der Stange.«
    »Habe nicht die Absicht, ihnen ins Garn zu laufen.«
    »Absicht oder nicht, du warst schon beinahe in ihren Fängen. Wo hast du denn deine Schaftstiefel gelassen, he?«
    »Schaftstiefel?«
    »Stell dich nicht dumm, das mag ich nicht leiden, das hält mich nur unnütz auf. Du bist da unten im Wald deutlich und breit auf Moospolster getrampelt.« Der Triefnasse erschrak.
    »Eine Spur hab ich gemacht?«
    »Eine wahre Elefantenspur, mein Bester. Und dann bist du in das Höhlenloch geklettert?«
    »Ja …«
    »Und da ist dir keiner begegnet? Außer mir zum Schluß?«
    »Doch …«
    »Ein Glück, daß du es zugibst. Wie war denn das?«
    »Weiß auch nicht genau – schauderhaft war’s. Ich wollte den Wasserarm hoch – riß mich das Wasser wieder runter. Ich wollte mich festhalten, kriegte in der Finsternis einen Menschen zu fassen – na ja – aber der Kerl wollte nicht mit und gab mir einen Fußtritt, der nicht mehr feierlich war … da sauste ich mit dem Wasserfall ab.«
    »Aha … hmhm … haha … nicht übel … und komisch. Jedenfalls geh ich dir den einen guten Rat, mein Lieber: Verschwinde aus der Gegend, aber mit der Geschwindigkeit eines Mustangs!«
    »Ich weiß nicht, ob ich noch ein Pferd habe.«
    »Aber ich weiß es, ich hab’s nämlich. Das besteigst du und gehst los, und wenn du dich noch ein einziges Mal in diesen Wäldern hier blicken läßt, bist du eine Leiche! Verstanden? Das hier ist mein Revier.«
    »Hab verstanden. Dein Revier.«
    »Ich bin schlauer als du, merkst du das?«
    »Ja.«
    »Also richte dich danach. Ich gebe dir dein Pferd zurück, ist ’ne Schindmähre, die ich nicht brauche, und du machst dich auf den Weg … wie heißt du?«
    »Ben.«
    »Soll ich dir ein gutes Geschäft sagen?«
    Ben atmete tief und schaute den anderen aus den Augenwinkeln dankbar an. »Sag’s.« »Reite zum Niobrara runter, mach dort ’ne Bude auf. Das ist ’ne Gegend, die Zukunft hat. Ich sorge dir für die erste Kundschaft, damit du wieder auf die Beine kommst. Pulver und Blei müssen immer da sein und Schnaps …, dann kommen die Jäger, die Indianer und die Felle ganz von selbst.«
    »Aber die Indianer …«
    »Du bist ein Idiot, hab ich dir schon mal gesagt. Du kannst nicht hier in ihren Prärien und Wäldern rumschnüffeln, wenn sie selber hungern – du jedenfalls nicht –, aber wenn du ihnen Pulver und Blei verkaufst …«
    »Jajajaja … aber das geht alles etwas schnell …«
    »Bei mir geht immer alles schnell, das Leben und das Sterben, merk dir das. Also bist du einverstanden?«
    »Ich will’s versuchen.«
    »Legst du Wert auf meine Freundschaft, du Hohlkopf?«
    »Großen.«
    »Das ist dein Glück. Komm!«
    Halb betäubt ließ sich Ben durch den Wald führen. Es war ein weiter und beschwerlicher Weg, den ihn der andere mitschleppte. Mehr als einmal stolperte Ben aus Erschöpfung, denn seine vierzig Sommer und Winter hatte er schon auf dem Buckel, und seine Kräfte reichten auch in normalem Zustand nicht mehr an diejenigen des jungen rothaarigen Burschen heran. Als die beiden endlich zu den Pferden kamen, machte Ben sofort die Satteltasche auf und griff gierig nach seiner eisernen Ration von Trockenfleisch.
    »Das hab ich dir gelassen«, sagte der andere spöttisch, »und jetzt mach dich davon!«
    »Ich hab keine Waffen …«
    »Mir doch egal, warum hast du sie verloren! Ab mit dir und schau in deinem ganzen Leben die Black Hills nicht mehr an, kapiert?«
    »Kapiert.« Ben seufzte sehr tief. Dann bestieg er sein Pferd und lenkte es vorsichtig durch den Wald, um sich schließlich südostwärts durch die Prärie davonzumachen. Er fror jämmerlich in seinen nassen Kleidern, aber er kannte nur noch einen Gedanken: aus dem Machtbereich des anderen zu entkommen. Es hatte ihn eine derartige Furcht vor diesem Menschen gepackt, daß er im tiefsten Innern entschlossen war, die Handelsbude am Niobrara, die dem anderen nützlich schien, aufzumachen. Mit so einem Teufelskerl mußte man sich gutstellen … und vielleicht konnte er am Niobrara wirklich wieder etwas verdienen, mit weniger Risiko als in dieser Höhle, die mit ihren wirren Gängen und wilden Wassern eine einzige große Menschenfalle war.
    Der andere lachte vor sich hin, sobald er von einem Baum aus beobachtet hatte, daß Ben tatsächlich im Galopp das Weite suchte. »Der Hohlkopf«, sagte er noch einmal. »Einer allein wird

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