Harka der Sohn des Haeuptlings
Viele Frauen, viel reden, aber auch gut gehorchen.«
»Dann werdet ihr in diesem Zelt Ordnung schaffen, hau!«
Schwarzhaut Kraushaar lachte spitzbübisch. »Ja, Ordnung, und alle Tage gut kochen, sehr gut!«
»Das wünsche ich dir und hoffe es«, knurrte Harka vor sich hin. Die verrückte Großmutter war als geizig bekannt.
Harka brachte seinen wiedergefundenen Gefährten, der so lebhaft geworden war, und den schweigsamen Vater zunächst zu Mattotaupas Zelt. Unterwegs versicherte ihm Kraushaar noch: »Pani schlechte Menschen, weiße Männer ganz schlechte Menschen, Dakota gut. Dakota Brüder, bei Dakota bleiben!«
»Ja, bleib bei uns, Kraushaar, dich können wir brauchen!«
Von diesem Tag an erlebte das Dorf mit seinen beiden neuen Bewohnern jeden Tag etwas Neues. Kraushaars Vater, der sogleich den Namen »Fremde Muschel« erhielt, schaffte zunächst Ordnung im Zelt der vielen Frauen. Er mußte auch etwas vom Beschwören böser Geister verstehen, denn die besessene Großmutter war sanft zu ihm wie ein Reh. Das ganze Dorf atmete auf, weil dieses Zelt nun wieder versorgt und gut regiert war. Fremde Muschel war ein großer, kräftiger und sehr ernster Mann. Sobald auch er noch mehr von der Dakotasprache erlernt hatte, berichtete er von seiner Heimat und seinem Leben jenseits des großen Wassers, über das ihn die weißen Männer verschleppt hatten.
Er beschrieb den mächtigen Urwald, in dem seine Väter gewohnt hatten, erzählte Geschichten von der Elefantenund Leopardenjagd, von Krokodilen und Nashörnern, und ein Zelt reichte kaum aus, um alle wißbegierigen Zuhörer zu fassen. Er berichtete auch von den weißen Männern, von ihrer zahllosen Menge, von ihren Häusern aus Stein, von ihren Mazzawaken, den kleinen, die ein Mann tragen konnte, und den großen, die von Pferden gezogen wurden und deren Öffnung wie ein riesiger schwarzer runder Rachen war, aus dem sie verderbliche Kugeln ausspien. Er hatte auch schon jenes Ungeheuer gesehen, vor dem die Büffel flohen, und wußte, wie sein Weg gebaut war. Immer und immer wieder fragten ihn die Männer danach aus. Aber es gab etwas, worüber er nie sprach und wonach ihn die Krieger daher auch nie fragten: Das war die Art und Weise, wie Hawandschita ihn aus den Händen der Pani befreit hatte.
Darüber sagte auch Schwarzhaut Kraushaar kein Wort.
Harka war den ganzen Tag mit dem neuen Gefährten unterwegs, um ihn alles zu lehren, was ein Dakotajunge können mußte, und Kraushaar war ein gelehriger Schüler.
Auch Harpstennah schloß sich dieser Schule an. Wenn Schwarzhaut Kraushaar die beiden Brüder mit seinen lustigen und vertrauenden Augen anblickte, verschwanden die Spannungen und Hemmungen, wenigstens für die Zeit des Beisammenseins der drei.
Oft hockten die Jungen in den Reitpausen beieinander.
Dann fragte Harka mit genauer Absicht kreuz und quer, dies und das, und Kraushaar durchschaute dieses Spiel der Fragen nicht ganz, obgleich er sehr aufgeweckt war.
»Warum haben denn die Pani, diese Kojoten, die Antilopen nicht gejagt, wenn sie doch wußten, daß im Nordwesten solche Herden grasen?«
»Wieso wußten?« fragte Kraushaar.
»Warum haben sie sie nicht gejagt?«
»Weil sie das Fleisch nicht mehr brauchten. Sie bekamen doch das Büffelfleisch von den weißen Männern.«
Ah, dachte Harka, also die Pani hatten von den Antilopen gewußt. Somit hatte auch Kraushaar davon gewußt, und Hawandschita hatte ihn danach ausfragen können. Ein Zauberrätsel war gelöst.
»So ist es, Schwarzhaut Kraushaar. Das Büffelfleisch bekamen die Pani von den weißen Männern. Also haben die weißen Männer, die den Weg des Ungeheuers bauen wollen, Büffel getötet. Habe ich recht?«
»Du hast recht, Harka Büffelpfeilversender.«
Ein zweites Geheimnis, das gelöst war. Aber Harka fühlte sich dadurch nicht erleichtert, sondern beschwert. Denn er empfand mit dem Triumph seiner Wißbegier zugleich eine tief in seinem Innern wühlende Furcht, daß er hinter dem großen Zauber einer großen Lüge und einer noch verborgenen großen Gefahr auf die Spur kommen könne.
Von früh bis spät ging er mit wachen Augen, gespannten Sinnen umher und kombinierte vorsichtige Fragen. Er umschlich mit diesen Fragen das, was er zu erfahren trachtete, wie ein Jäger das Wild umschleicht. Immer enger zog er die Kreise. Endlich hatte er sich in einer schlaflosen Nacht die Vorgänge folgendermaßen zusammengereimt:
Südlich der Jagdgebiete der Bärenbande bereiteten Männer vom Nordstamm der
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