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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ihm das Messer ins Herz stoßen!«
    »Gut, Vater.« Harka sprach die Worte ruhig, aber es war ihm heiß geworden. »Nun lauf erst zu dem kleinen Hügel dorthin. An der Stelle, an der die Grasnarbe abgebrochen ist, siehst du einige Steine aus der Erde ragen. Die holst du dir, um den Bären damit zu bewerfen.«
    »Ja.« Harka eilte flink zu der Stelle, die ihm der Vater gezeigt hatte, und brach sich eine Anzahl handlicher Steine aus dem sandigen Boden heraus.
    Als er zum Vater zurückkehrte, waren die Pferde schon sehr erregt. Am Bach hatte sich etwas gerührt. Das Fohlenfleisch war ins Gebüsch hereingezogen worden. Harka glaubte, das Schmatzen und Mahlen zwischen einem starken Gebiß zu hören.
    Mattotaupa versteckte sich im Gras, möglichst entfernt von den Pferden. Seinen Sohn Harka, der mit ihm gekommen war, unterrichtete er: »Hierher, zu dieser Stelle, an der ich liege, mußt du dich zurückziehen, wenn der Bär aus dem Gebüsch hervorkommt, um dich anzugreifen. Du mußt versuchen, ihn so zu reizen, daß er sich aufrichtet. Dann kann ich den Stich ins Herz am besten führen!«
    »Ja, Vater!«
    Harka tat einen tiefen Atemzug, dann nahm er die Steine noch einmal besser zur Hand und machte sich auf seinen gefährlichen Weg.
    Er ging aufrecht durch das Gras, das ihm hier bis zu den Knien reichte, auf die Stelle des Bachufers zu, an der der große Graue lag. Als er auf Wurfweite herangekommen war, schleuderte er den ersten Stein.
    Der Wurf hatte überhaupt keine Wirkung.
    Harka hörte aber das Knacken und Schmatzen, mit dem der Bär seine gute Beute verzehrte.
    Er warf den zweiten Stein und schnell hinterher den drit- ten.
    Da hörte das Knacken und Schmatzen auf. Die Zweige bewegten sich, eine spitze Schnauze erschien und eine Tatze, die mit den Krallen noch das Fohlenbein festhielt.
    Harka zielte mit dem vierten Stein auf die Schnauze, aber er traf daneben. Vielleicht hatte er die Stirn des Bären getroffen oder gestreift. Das Raubtier stieß ein bösartiges Brummen aus, ein drohendes Brummen, das dem, dem es galt, durch Mark und Bein ging.
    Harka warf den letzten Stein.
    Die Wirkung war gering. Der Bär kam nur ein wenig weiter hervor, brummte und wartete.
    Durch die furchtlose Ruhe des Grizzly war die Lage für Harka äußerst gefährlich geworden. Er konnte es nicht wagen, noch weitere Steine zu holen, nachdem er das Raubtier gereizt hatte. Auf dem Weg zur Bruchstelle konnte ihn der schnelle Bär vom Vater abschneiden. Harka wollte aber auch nicht aufgeben.
    Er schrie den Bären an.
    Das störte den großen Grauen auch nicht. Er antwortete nur mit einem kurzen, sehr gereizten Brummen. Harka entschloß sich, alles auf einmal zu wagen. Er sprang nahe an das Ufer heran!
    Zwischen den Weidenzweigen erblickte er jetzt die ganze Masse des Untiers, das über den blutigen Resten des Fohlenfleisches hockte und nun immer weiter hervorkroch, leise brummend, die Tatzen vorschiebend, die kleinen Augen auf den Angreifer gerichtet … zum Gegenangriff bereit.
    Harka hatte das Messer aus der Scheide gerissen und warf es, trotz seiner äußersten Erregung noch in Ruhe zielend, mit voller Kraft gegen den Bären.
    Das Brummen verstummte. Nach einer Sekunde unheimlicher Stille brach dann das mächtige Tier aus dem Gesträuch hervor. Seine Tatzen und sein Maul waren noch blutig von dem eben gehaltenen Mahl. Es schüttelte das Messer, das in seiner Kopfhaut steckte, wie eine lästige Fliege ab und lief mit einer unerwarteten, furchterregenden Schnelligkeit auf Harka zu. Der Knabe war viel zu weit vom Vater entfernt … Er machte kehrt und rannte mit gehetzten Zickzacksprüngen um sein Leben zu der Stelle hin, wo er den Vater wußte.
    Schon war der Bär dicht hinter ihm!
    Harka stoppte plötzlich seinen Lauf. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er wandte sich um und sah den Bären, der durch die blitzschnelle Wendung des Knaben überrascht war. Mit einem Kriegsruf, der sich aus der Stimmung des Kampfes um Leben und Tod schrill herausdrängte, begegnete der Knabe dem Untier. Er wußte, daß der Vater noch immer zu weit weg war, viel zu weit!
    Aber jetzt geschah etwas. Irgend etwas flog an Harka vorbei, blieb aber im Grasboden stecken …
    Des Vaters Messer! Er hatte das Raubtier nicht getroffen.
    Der Bär, durch den Anblick von zwei Angreifern zu voller Wut gereizt, erhob sich jetzt auf die Hintertatzen, um zunächst den Knaben mit seinen Pranken niederzuschlagen.
    Harka, der ihm entgegentrat, maß mit seinen zwölf Jahren schon 1,68

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