Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
KAPITEL EINS
Meine Karriere als Maklerin verlief kurz und inoffiziell, aber keineswegs ereignislos. Sie begann an einem Werktag morgens um neun Uhr dreißig in der Eingangshalle der Eastern National Bank, als meine Mutter einen Blick auf ihr teures goldenes Armbandührchen warf.
„Ich schaffe es nicht!“, verkündete sie mit kaum gezügeltem Zorn. Wer es nicht schaffte, seine Verabredungen einzuhalten, galt in den Augen meiner Mutter als nutzlos, weil ineffizient, und ihr war der Gedanke unerträglich, selbst in diese Kategorie zu gehören. Dass sie sich das Dilemma, in dem sie steckte, nicht selbst zuzuschreiben hatte, versteht sich von selbst.
„Diese elenden Thompsons!“, sagte sie wütend. „Die sind nie pünktlich. Sie hätten schon vor einer Dreiviertelstunde hier sein müssen. Schließlich geht es um ihr Haus, wer kommt denn da zur Erledigung der Kaufformalitäten zu spät!“ Sie starrte auf das winzige, elegante Ziffernblatt ihrer Uhr, als könnte sie es durch schiere Willenskraft zu einer anderen Zeitangabe bewegen. Nervös wippte das obere ihrer schlanken, übereinandergeschlagenen Beine auf und ab, einer der mit schlichten, dunkelblauen Pumps bekleideten Füße schwang vor und zurück. Gut möglich, dass wir im Teppichboden der Bank, der vorgab, ein Perser zu sein, ein Loch finden würden, wenn Mutter aufstand.
Ich saß neben ihr auf dem Sessel, den ich für Mrs. Thompson räumen würde, wenn und falls die Dame auftauchte, und konnte die Thompsons im Geiste nur bewundern. Wer Aida Battle Teagarden Queensland versetzte, noch dazu bei dem Termin, bei dem es um die endgültige Eigentumsübertragung eines Hauses ging, hatte entweder jede Menge Mumm oder war so reich, dass ein undurchdringlicher Schutzpanzer aus Selbstbewusstsein ihn gegen alle Anfechtungen von außen immun sein ließ.
„Welchen Termin verpasst du denn gerade?“, erkundigte ich mich mitleidig, wobei ich mir einen neidischen Blick auf die übereinandergeschlagenen Beine meiner Mutter nicht verkneifen konnte. Meine eigenen würden nie lang genug sein, um als elegant zu gelten. Genaugenommen schaffte ich es nicht einmal, in diesem Sessel mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Während meine Mutter wütend vor sich hinstarrte, winkte ich zwei Leuten, die ich kannte. Ich kannte eine Menge Leute in Lawrenceton, der kleinen Stadt in Georgia, in der ich mein ganzes bisheriges Leben verbracht hatte und wohl auch weiterhin verbringen würde. Irgendwann einmal würde ich mich zu meinen Urgroßeltern auf dem Shady-Rest-Friedhof gesellen, eine Vorstellung, die mir meist gefiel, verhalf sie mir doch zu dem warmen, behaglichen, irgendwie fließenden Gefühl, Teil des uralten Flusses zu sein, der das Leben in den Südstaaten versinnbildlichte.
An manchen Tagen macht mich dieses Gefühl der Unveränderlichkeit allerdings auch wahnsinnig.
„Einen Besichtigungstermin mit den Bartells“, sagte Mutter endlich. „Er ist aus Illinois zugezogen und ist der neue Werksleiter bei Pan-Am Agra. Sie suchen nach einem, ich zitiere ‚wirklich hübschen Haus’, und ich will ihnen das Andertonanwesen zeigen. Die beiden sind schon seit drei Monaten hier – oder er allein, so genau habe ich die Details nicht mitbekommen. Jedenfalls wohnte er bisher im Motel, um sich erst mal ganz auf den Einstieg bei Pan-Am Agra konzentrieren zu können. Da hat er wohl inzwischen alles soweit im Griff, dass er sich auf die Suche nach einem Haus begeben kann. Er rief gestern an, er hatte sich umgehört und sich meine Firma als bestes Maklerbüro der Stadt empfehlen lassen. Hat sich weitschweifig und entzückend für die Störung entschuldigt, normalerweise würde er Leute nicht am Feierabend zu Hause belästigen, aber ich glaube, eigentlich tat ihm das kein bisschen leid. Wie dem auch sei: Ich weiß, dass Greenhouse Realty sich Hoffnung auf diesen Auftrag gemacht hatte, weil Donnies Kusine Bartells Sekretärin ist, und jetzt komme ich zu spät!“
„Oh!“ Langsam wurde mir das gesamte Ausmaß von Mutters Zwangslage bewusst. Da hatte sie einen erstklassigen Vermittlungsauftrag und einen ebensolchen Interessenten an Land gezogen, wollte die beiden einander vorstellen und kam gleich beim ersten Termin zu spät. Rein beruflich gesehen ein Desaster.
Mehrfachnominierungen von Immobilien waren in unserer kleinen Stadt nicht üblich, einen entsprechenden Service gab es nicht. Wer ein Haus verkaufen wollte, beauftragte eine Firma damit, nicht mehrere Makler
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