Harry Potter - Gesamtausgabe
ganze Sache geschildert, während ich an der Tür lauschte. Eine Prügelei am offenen Grab! So wie Bathilda es erzählte, hat Aberforth geschrien, dass Albus allein die Schuld an Arianas Tod trage, und ihm dann ins Gesicht geschlagen. Laut Bathilda verteidigte Albus sich nicht einmal, und das ist an sich schon merkwürdig genug, Albus hätte Aberforth in einem Duell mit auf den Rücken gebundenen Händen vernichten können.«
Muriel kippte noch mehr Champagner hinunter. Diese alten Skandale aufzuwärmen beschwingte sie offenbar so sehr, wie sie Doge mit Schrecken erfüllten. Harry wusste nicht, was er denken, was er glauben sollte: Er wollte die Wahrheit wissen, und doch tat Doge nichts weiter, als dazusitzen und leise zu wimmern, dass Ariana krank gewesen sei. Harry konnte kaum glauben, dass Dumbledore nicht eingegriffen hätte, wenn etwas so Grausames in seinem eigenen Haus passiert wäre, und doch war zweifellos etwas Sonderbares an der Geschichte.
»Und ich werde euch noch etwas anderes erzählen«, sagte Muriel und setzte mit einem kleinen Hickser ihren Kelch ab. »Ich glaube, Bathilda hat Rita Kimmkorn gegenüber ausgepackt. All diese Andeutungen in Kimmkorns Interview über eine wichtige Quelle, die den Dumbledores nahestand – wer weiß, sie war während dieser ganzen Ariana-Geschichte dort, und es würde passen!«
»Bathilda würde nie mit Rita Kimmkorn sprechen!«, flüsterte Doge.
»Bathilda Bagshot?«, sagte Harry. »Die Autorin der Geschichte der Zauberei?«
Der Name stand auf einem von Harrys Schulbüchern, doch zugegebenermaßen gehörte es nicht zu denen, die er am aufmerksamsten gelesen hatte.
»Ja«, sagte Doge und klammerte sich an Harrys Frage wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. »Eine höchst begabte magische Historikerin und eine alte Freundin von Albus.«
»Heute ziemlich plemplem, hab ich gehört«, sagte Tantchen Muriel fröhlich.
»Wenn das stimmt, dann ist es umso niederträchtiger von Kimmkorn, sie ausgenutzt zu haben«, sagte Doge, »und man kann nichts von dem, was Bathilda gesagt haben mag, für bare Münze nehmen!«
»Oh, es gibt Methoden, Erinnerungen zurückzuholen, und ich bin sicher, dass Rita Kimmkorn sie alle kennt«, sagte Tantchen Muriel. »Aber selbst wenn Bathilda völlig bekloppt ist, hat sie bestimmt immer noch alte Fotos, vielleicht sogar Briefe. Sie kannte die Dumbledores schon seit vielen Jahren … eine Reise nach Godric’s Hollow war’s durchaus wert, würde ich meinen.«
Harry, der gerade an einem Butterbier genippt hatte, verschluckte sich. Doge schlug ihm auf den Rücken, während Harry hustete und mit tränenden Augen zu Tantchen Muriel sah. Als Harry seine Stimme wiederhatte, fragte er: »Bathilda Bagshot lebt in Godric’s Hollow?«
»O ja, schon seit einer Ewigkeit! Die Dumbledores sind dort hingezogen, nachdem Percival ins Gefängnis gekommen war, und sie war ihre Nachbarin.«
»Die Dumbledores haben in Godric’s Hollow gelebt?«
»Ja, Barry, wie ich eben schon sagte«, entgegnete Tantchen Muriel unwirsch.
Harry fühlte sich ausgepumpt, leer. Nicht ein einziges Mal, in sechs Jahren, hatte Dumbledore Harry erzählt, dass sie beide in Godric’s Hollow gelebt und geliebte Menschen dort verloren hatten. Warum? Lagen Lily und James nahe bei Dumbledores Mutter und Schwester begraben? Hatte Dumbledore ihre Gräber besucht, war er dabei vielleicht an denen von Lily und James vorbeigegangen? Und er hatte es Harry nie erzählt … es nie für erwähnenswert gehalten …
Und warum es so wichtig war, konnte Harry nicht erklären, nicht einmal sich selbst, doch er spürte, dass es einer Lüge gleichkam, ihm nicht zu sagen, dass sie diesen Ort und diese Erfahrungen miteinander gemein hatten. Er starrte vor sich hin, bemerkte kaum, was um ihn herum geschah, und nahm nicht wahr, dass Hermine aus dem Gedränge aufgetaucht war, bis sie einen Stuhl an seine Seite zog.
»Ich kann einfach nicht mehr tanzen«, keuchte sie, streifte einen ihrer Schuhe ab und rieb sich die Fußsohle. »Ron ist mehr Butterbier holen gegangen. Es ist schon ein bisschen komisch, eben habe ich Viktor gesehen, wie er von Lunas Vater weggestürmt ist, es sah aus, als ob sie gestritten hätten –« Sie senkte die Stimme und starrte ihn an. »Harry, alles okay mit dir?«
Harry wusste nicht, wo er anfangen sollte, aber es spielte keine Rolle. In diesem Moment fiel etwas Großes und Silbernes durch den Baldachin über der Tanzfläche. Graziös und schimmernd landete der Luchs
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