Harry Potter - Gesamtausgabe
werden.«
Wütender denn je suchte er weiter und tastete jetzt auf den Böden der Vasen und in den Körben voller Trockenblumen herum, doch es überraschte ihn nicht im Geringsten, dass er das Medaillon hier nicht finden konnte. Er ließ den Blick ein letztes Mal durch das Büro schweifen, als sein Herz einen Augenblick aussetzte. Dumbledore starrte ihn aus einem kleinen rechteckigen Spiegel an, der auf einem Bücherregal neben dem Schreibtisch aufgestellt war.
Harry durchquerte im Laufschritt das Zimmer und riss den Spiegel hoch, doch er hatte ihn kaum berührt, als ihm klar wurde, dass es gar kein Spiegel war. Dumbledore lächelte versonnen vom Hochglanzumschlag eines Buches. Harry hatte die verschnörkelte grüne Schrift quer über seinem Hut zuerst nicht bemerkt: Leben und Lügen des Albus Dumbledore, und auch nicht die etwas kleinere Schrift über seiner Brust: von Rita Kimmkorn, Autorin des Bestsellers »Armando Dippet: Könner oder Knallkopf?«
Harry schlug das Buch wahllos auf und stieß auf ein ganzseitiges Foto von zwei Jungen im Teenageralter, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten und heftig lachten. Dumbledore, nun mit langem Haar bis zum Ellbogen, hatte sich einen kleinen, büscheligen Bart wachsen lassen, ähnlich dem an Krums Kinn, über den Ron sich so aufgeregt hatte. Der Junge, der sich neben Dumbledore lautlos brüllend amüsierte, hatte etwas Fröhliches und Wildes an sich. Sein goldenes Haar fiel ihm in Locken auf die Schultern. Harry überlegte, ob es der junge Doge war, doch ehe er die Bildunterschrift lesen konnte, ging die Bürotür auf.
Wenn Thicknesse beim Hereinkommen nicht über die Schulter geblickt hätte, wäre Harry keine Zeit geblieben, den Tarnumhang über sich zu ziehen. Dennoch hatte er den Eindruck, dass Thicknesse vielleicht eine Bewegung wahrgenommen hatte, denn er blieb ein paar Sekunden lang völlig reglos stehen und starrte neugierig auf die Stelle, wo Harry gerade verschwunden war. Vielleicht war Thicknesse zu dem Schluss gekommen, dass er lediglich Dumbledore gesehen hatte, der sich auf dem Umschlag des Buches die Nase kratzte, das Harry hastig wieder auf das Regal gelegt hatte, jedenfalls ging er schließlich doch zum Schreibtisch und richtete seinen Zauberstab auf die Feder, die in dem Tintenfass bereitstand. Sie sprang heraus und begann eine Notiz an Umbridge zu kritzeln. Ganz langsam, er wagte dabei kaum zu atmen, stahl Harry sich rückwärts aus dem Büro hinaus in den offenen Bereich davor.
Die Broschürenmacher waren immer noch um die Überreste des Bluffknallers geschart, der nach wie vor schwächlich trötete und qualmte. Harry eilte den Korridor entlang, als die junge Hexe sagte: »Ich wette, das hat sich aus der Experimentellen Zauberei hier hochgeschlichen, die sind ja so leichtsinnig, erinnert ihr euch noch an diese giftige Ente?«
Während Harry zum Lift zurückhastete, überlegte er, welche Optionen er jetzt noch hatte. Es war nie wahrscheinlich gewesen, dass das Medaillon hier im Ministerium war, und es wäre ein aussichtsloser Versuch, mit magischen Mitteln aus Umbridge herauszulocken, wo es steckte, während sie in einem vollen Gerichtsraum saß. Sie mussten jetzt dringend das Ministerium verlassen, ehe sie entdeckt wurden, und es an einem anderen Tag erneut versuchen. Als Erstes musste er Ron finden, dann konnten sie sich überlegen, wie sie Hermine aus dem Gerichtssaal herausbekamen.
Der Fahrstuhl war leer, als er hielt. Harry sprang hinein und zog den Tarnumhang herunter, während der Lift sich nach unten in Bewegung setzte. Als er im zweiten Stock ruckelnd stehen blieb, stieg zu Harrys gewaltiger Erleichterung Ron ein, pitschnass und mit gehetztem Blick.
»M-Morgen«, stammelte er Harry entgegen, als der Lift wieder anfuhr.
»Ron, ich bin’s, Harry!«
»Harry! Zum Teufel, ich hab ganz vergessen, wie du aussiehst – warum ist Hermine nicht bei dir?«
»Sie musste mit Umbridge runter in die Gerichtsräume, sie konnte es nicht ablehnen, und –«
Doch ehe Harry den Satz beenden konnte, hatte der Lift wieder angehalten: Die Türen öffneten sich, und Mr Weasley kam herein, im Gespräch mit einer älteren Hexe, die ihr blondes Haar zu einer Art Ameisenhügel hochtoupiert hatte.
»… ich verstehe vollkommen, was du meinst, Wakanda, aber ich fürchte, ich kann nicht mitmachen bei –«
Mr Weasley unterbrach sich; er hatte Harry bemerkt. Es war ein äußerst eigenartiges Gefühl, von Mr Weasley mit solchem Abscheu angefunkelt
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