Harry Potter und der Gefangene von Askaban
Punkte.
»Also darfst du ihn erst fangen, wenn wir mit mehr als fünfzig Punkten führen«, erklärte ihm Wood tagein, tagaus. »Nur wenn wir mit über fünfzig Punkten vorn liegen, Harry, oder wir gewinnen zwar das Spiel, verlieren aber den Pokal. Das hast du doch begriffen? Du darfst den Schnatz erst fangen, wenn wir –«
»Ich weiß, Oliver!«, fauchte Harry.
Sämtliche Gryffindors hatten nichts anderes mehr im Kopf als das kommende Spiel. Ihr Haus hatte den Quidditch-Pokal nicht mehr gewonnen, seit der legendäre Charlie Weasley (Rons zweitältester Bruder) als Sucher gespielt hatte. Doch Harry fragte sich, ob auch nur einer von ihnen, Wood eingeschlossen, sich so nach dem Sieg sehnte wie er. Die Feindschaft zwischen Harry und Malfoy hatte ihren Höhepunkt erreicht. Malfoy rauchte immer noch vor Zorn wegen der einseitigen Schlammschlacht in Hogsmeade und war noch zorniger darüber, dass Harry der Strafe irgendwie entgangen war. Harry hatte Malfoys Versuch nicht vergessen, ihm bei der Partie gegen Ravenclaw ganz übel mitzuspielen, doch es war die Sache mit Seidenschnabel, die ihn so wild entschlossen machte, Malfoy vor den Augen der ganzen Schule zu demütigen.
Keiner konnte sich erinnern, jemals in so geladener Atmosphäre einem Spiel entgegengefiebert zu haben. Am Ende der Ferien erreichte die Spannung zwischen den beiden Teams und ihren Häusern ihren knisternden Höhepunkt. In den Korridoren brachen kleinere Rangeleien aus, und es kam schließlich zu einem hässlichen Zwischenfall, in dessen Folge ein Viertklässler der Gryffindors und ein Sechstklässler der Slytherins im Krankenflügel landeten, weil ihnen kräftige Lauchpflanzen aus den Ohren wucherten.
Harry hatte es in dieser Zeit besonders schwer. Er konnte nicht in den Unterricht gehen, ohne dass ihm ein Slytherin irgendwo auf den Gängen ein Bein stellte; wo er auch war, Crabbe und Goyle tauchten überall auf und trollten sich mit enttäuschten Mienen, wenn sie sahen, dass er von Schülern umringt war. Wood hatte die Gryffindors gebeten, Harry überallhin zu begleiten, falls die Slytherins versuchen sollten, ihn schon im Vorfeld lahmzulegen. Begeistert widmete sich das ganze Haus dieser Aufgabe, und Harry war es von nun an unmöglich, rechtzeitig zum Unterricht zu kommen, da er ständig von einer dicken, schnatternden Menschentraube umgeben war. Harry sorgte sich weniger um seine Sicherheit als um die des Feuerblitzes. Wenn er ihn nicht flog, schloss er ihn in seinen Koffer ein, und häufig flitzte er in den Pausen nach oben in den Turm, um nachzusehen, ob er noch da war.
Am Vorabend des Spiels ging im Gemeinschaftsraum nichts mehr seinen gewohnten Gang. Selbst Hermine hatte ihre Bücher beiseitegelegt.
»Ich kann nicht arbeiten, ich kann mich einfach nicht konzentrieren«, sagte sie nervös.
Es herrschte ziemlicher Lärm. Fred und George Weasley linderten die Anspannung auf ihre Weise und gebärdeten sich lauter und ausgelassener als sonst. Oliver Wood hatte sich über ein Modell des Quidditch-Feldes in der Ecke gebeugt, schob kleine Figuren mit seinem Zauberstab hin und her und murmelte vor sich hin. Angelina, Alicia und Katie lachten über die Witzeleien von Fred und George. Harry saß mit Ron und Hermine etwas abseits vom Geschehen und versuchte nicht an den nächsten Tag zu denken, denn immer wenn er es tat, bekam er das fürchterliche Gefühl, etwas sehr Großes wolle unbedingt aus seinem Magen heraus.
»Du schaffst das«, sagte Hermine, sah dabei jedoch ausgesprochen besorgt aus.
»Du hast einen Feuerblitz!«, sagte Ron.
»Jaah …«, sagte Harry und sein Magen verkrampfte sich.
Zu seiner Erleichterung richtete sich Wood plötzlich auf und rief:
»Leute! Ins Bett!«
Harry schlief schlecht. Erst träumte ihm, er habe verschlafen und Wood rufe »Wo steckst du? Statt deiner mussten wir Neville nehmen!«. Dann träumte er, Malfoy und das ganze Slytherin-Team würden mit fliegenden Drachen zum Spiel kommen. Er flog mit halsbrecherischer Geschwindigkeit und versuchte den Flammenstößen zu entgehen, die Malfoys Streitdrache ausspie, und dann fiel ihm ein, dass er seinen Feuerblitz vergessen hatte. Er stürzte in die Tiefe und fuhr erschrocken aus dem Schlaf.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Harry einfiel, dass das Spiel noch gar nicht angefangen hatte, dass er wohlbehalten im Bett lag und dass es den Slytherins sicher verboten würde, auf Drachen zu spielen. Er hatte schrecklichen Durst. So leise er konnte, stieg er aus dem
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