Harry Potter und der Halbblutprinz
… besonders nach dem, was im Ministerium passiert ist …«
Er wartete darauf, dass Harry etwas sagte, aber Harry tat ihm den Gefallen nicht, also fuhr er fort: »Seit ich mein Amt angetreten habe, hoffe ich auf eine Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen, aber Dumbledore hat dies – wie gesagt, höchst verständlicherweise – verhindert.«
Harry sagte immer noch nichts und wartete ab.
»Die Gerüchte, die man überall zu hören bekam!«, sagte Scrimgeour. »Nun, wir wissen natürlich beide, wie diese Geschichten verdreht werden … all dieses Gemunkel über eine Prophezeiung … dass Sie der ›Auserwählte‹ seien …«
Jetzt kamen sie der Sache näher, dachte Harry, dem Grund, warum Scrimgeour hier war.
»… ich nehme an, Dumbledore hat diese Dinge mit Ihnen besprochen?«
Harry überlegte; er fragte sich, ob er lügen sollte oder nicht. Er betrachtete die kleinen Gnomenspuren überall in den Blumenbeeten und den aufgescharrten Fleck, offenbar die Stelle, wo Fred den Gnomen gefangen hatte, der jetzt im Ballettröckchen den Weihnachtsbaum krönte. Schließlich entschied er sich für die Wahrheit … oder ein bisschen davon.
»Jaah, wir haben darüber gesprochen.«
»Haben Sie, haben Sie …«, sagte Scrimgeour. Harry konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Scrimgeour ihn schräg von der Seite her anschaute, deshalb tat er so, als würde er sich sehr für einen Gnomen interessieren, der gerade seinen Kopf unter einem erfrorenen Rhododendron hervorgestreckt hatte. »Und was hat Dumbledore Ihnen gesagt, Harry?«
»Tut mir leid, aber das bleibt unter uns«, sagte Harry.
Er bemühte sich, möglichst nett zu klingen, und auch Scrimgeour antwortete in einem heiteren und freundlichen Ton: »Oh, selbstverständlich, wenn es um Vertraulichkeiten geht, will ich natürlich nicht, dass Sie irgendetwas preisgeben … nein, nein … und ohnehin, spielt es denn wirklich eine Rolle, ob Sie der Auserwählte sind oder nicht?«
Harry musste einige Sekunden darüber nachdenken, ehe er antwortete.
»Ich weiß nicht genau, was Sie meinen, Minister.«
»Nun, natürlich, für Sie wird es eine gewaltige Rolle spielen«, sagte Scrimgeour lachend. »Aber für die Zauberergemeinschaft insgesamt … es ist alles eine Frage der Wahrnehmung, nicht wahr? Wichtig ist, was die Leute glauben.«
Harry sagte nichts. Er meinte ungefähr abzusehen, worauf Scrimgeour hinauswollte, aber er würde ihm nicht helfen, dort hinzugelangen. Der Gnom unter dem Rhododendron grub jetzt an den Wurzeln nach Würmern, und Harry hielt seinen Blick auf ihn geheftet.
»Die Leute glauben, dass Sie der Auserwählte sind, verstehen Sie«, sagte Scrimgeour. »Sie halten Sie für einen richtigen Helden – was Sie natürlich sind, Harry, auserwählt oder nicht! Wie viele Male haben Sie Ihm, dessen Name nicht genannt werden darf, nun schon gegenübergestanden? Wie auch immer«, fuhr er rasch fort, ohne eine Antwort abzuwarten, »der Punkt ist, dass Sie für viele ein Symbol der Hoffnung sind, Harry. Die Vorstellung, da draußen sei jemand, der vielleicht in der Lage ist, der vielleicht sogar dazu ausersehen ist, Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf, zu vernichten – nun, das gibt den Menschen natürlich Auftrieb. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie, sobald Sie dies erkennen, es als, nun ja, fast als Ihre Pflicht ansehen könnten, an der Seite des Ministeriums zu stehen und damit allen neuen Mut zu machen.«
Dem Gnomen war es eben gelungen, einen Wurm zu erwischen. Er zerrte jetzt heftig an ihm, um ihn aus dem gefrorenen Boden zu bekommen. Harry schwieg so lange, bis Scrimgeour, der von Harry zum Gnomen blickte, sagte: »Komische kleine Kerlchen, nicht wahr? Aber was meinen Sie, Harry?«
»Ich verstehe nicht genau, was Sie wollen«, sagte Harry langsam. »›An der Seite des Ministeriums stehen‹ … was soll das heißen?«
»Oh, nun, es ist im Grunde ganz einfach, das kann ich Ihnen versichern«, sagte Scrimgeour. »Wenn man Sie beispielsweise von Zeit zu Zeit im Ministerium vorbeischauen sähe, würde das den richtigen Eindruck machen. Und, natürlich, wenn Sie dann schon mal da sind, hätten Sie reichlich Gelegenheit, mit Gawain Robards, meinem Nachfolger als Leiter des Aurorenbüros, zu sprechen. Wie ich von Dolores Umbridge weiß, hegen Sie den Wunsch, ein Auror zu werden. Nun, das ließe sich ohne weiteres arrangieren …«
Harry spürte kochende Wut in seiner Magengrube: Also war Dolores Umbridge wahrhaftig immer noch im
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