Harry Potter und der Halbblutprinz
Gesichter um ihn herum zeigten schieres Entsetzen; er hätte genauso gut ankündigen können, dass er sich einen ihrer Arme ausleihen wolle.
»Keine Freiwilligen?«, sagte Voldemort. »Wir werden sehen … Lucius, ich wüsste keinen Grund, warum du noch einen Zauberstab besitzen solltest.«
Lucius Malfoy blickte auf. Im Schein des Feuers wirkte seine Haut gelblich und wächsern, seine Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren umschattet. Als er sprach, war seine Stimme heiser.
»Herr?«
»Deinen Zauberstab, Lucius. Ich verlange deinen Zauberstab.«
»Ich …«
Malfoy warf einen Seitenblick auf seine Frau. Sie starrte geradeaus, nicht minder blass als er, mit langen blonden Haaren, die ihr über den Rücken fielen, doch unter dem Tisch umschlossen ihre schlanken Finger kurz sein Handgelenk. Bei dieser Berührung schob Malfoy die Hand unter seinen Umhang, zog einen Zauberstab heraus und reichte ihn Voldemort, der ihn vor seine roten Augen hielt und scharf musterte.
»Woraus ist er?«
»Ulme, Herr«, flüsterte Malfoy.
»Und der Kern?«
»Drachen – Drachenherzfaser.«
»Gut«, sagte Voldemort. Er zog seinen eigenen Zauberstab hervor und verglich die Längen.
Lucius Malfoy machte eine unwillkürliche Bewegung; für den Bruchteil einer Sekunde schien es, als erwartete er, Voldemorts Zauberstab im Austausch gegen seinen eigenen zu bekommen. Voldemort entging die Geste nicht und seine Augen weiteten sich gehässig.
»Dir meinen Zauberstab geben, Lucius? Meinen Zauberstab?«
Einige der Versammelten kicherten.
»Ich habe dir die Freiheit gegeben, Lucius, ist dir das nicht genug? Mir ist jedoch aufgefallen, dass du und deine Familie in letzter Zeit alles andere als glücklich ausseht … Was missfällt dir an meiner Anwesenheit hier in deinem Haus, Lucius?«
»Nichts – nichts, Herr!«
»Solche Lügen, Lucius …«
Die sanfte Stimme schien weiterzuzischen, auch als der unbarmherzige Mund sich nicht mehr bewegte. Der ein oder andere Zauberer unterdrückte mühsam ein Schaudern, als das Zischen lauter wurde; sie hörten, wie etwas Schweres unter dem Tisch über den Boden glitt.
Die riesige Schlange tauchte auf und kroch langsam an Voldemorts Stuhl empor. Sie kam immer höher, scheinbar unendlich lang, und blieb über Voldemorts Schultern liegen: Ihr Hals war dick wie der Oberschenkel eines Mannes; ihre Augen mit den senkrechten Schlitzen als Pupillen blinzelten nicht. Voldemort streichelte das Geschöpf geistesabwesend mit seinen langen, dünnen Fingern, während er immer noch zu Lucius Malfoy sah.
»Warum wirken die Malfoys so unglücklich über ihr Los? Ist meine Rückkehr, mein Aufstieg zur Macht, nicht genau das, was sie angeblich so viele Jahre lang ersehnt haben?«
»Natürlich, Herr«, sagte Lucius Malfoy. Mit zitternder Hand wischte er sich Schweiß von der Oberlippe. »Wir haben es ersehnt – wir tun es immer noch.«
Links neben Malfoy nickte seine Frau auf eine merkwürdige, steife Art, die Augen von Voldemort und der Schlange abgewandt. Rechts neben ihm warf sein Sohn Draco, der die ganze Zeit zu dem trägen Körper oben hinaufgestarrt hatte, einen kurzen Blick auf Voldemort und sah gleich wieder weg, aus Angst, ihre Blicke könnten sich kreuzen.
»Herr«, sagte eine dunkelhaarige Frau an der unteren Hälfte des Tisches mit vor Erregung erstickter Stimme, »es ist eine Ehre, Euch hier im Haus unserer Familie zu haben. Es kann keine höhere Freude geben.«
Sie saß neben ihrer Schwester, der sie mit ihrem dunklen Haar und den schweren Augenlidern im Aussehen ebenso wenig ähnelte wie in Haltung und Gebaren; während Narzissa starr und teilnahmslos dasaß, beugte sich Bellatrix zu Voldemort hin, denn Worte allein konnten ihr Verlangen nach Nähe nicht zum Ausdruck bringen.
»Keine höhere Freude«, wiederholte Voldemort, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, indem er Bellatrix musterte. »Bei dir, Bellatrix, heißt das eine ganze Menge.«
Röte stieg ihr ins Gesicht; aus ihren Augen quollen Freudentränen.
»Ihr wisst, Herr, dass ich nichts als die Wahrheit sage!«
»Keine höhere Freude … sogar im Vergleich zu dem glücklichen Ereignis, das, wie ich höre, diese Woche in deiner Familie stattgefunden hat?«
Sie starrte ihn an, mit geöffneten Lippen, offensichtlich verwirrt.
»Ich weiß nicht, was Ihr meint, Herr.«
»Ich spreche von deiner Nichte, Bellatrix. Und von eurer, Lucius und Narzissa. Sie hat soeben den Werwolf geheiratet, Remus Lupin. Wie stolz ihr sein
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