Harry Potter und der Orden des Phönix
nicht angerannt kamst, als er dir in deinem Traum den Ort zeigte, wo sie verborgen liegt. Er dachte, die natürliche Neugierde würde in dir den Wunsch wecken, den genauen Wortlaut zu hören …«
»Tatsächlich?«, sagte Harry. Hinter sich spürte er mehr, als dass er es hörte, wie Hermine die Botschaft an die anderen weitergab, und mit Bedacht fuhr er fort, um die Todesser abzulenken. »Also wollte er, dass ich komme und sie hole, ja? Warum?«
»Warum?« Malfoy klang ungläubig-vergnügt. »Weil die Einzigen, denen es erlaubt ist, eine Prophezeiung aus der Mysteriumsabteilung zu entfernen, Potter, diejenigen sind, über die sie gemacht wurde, wie der Dunkle Lord feststellte, als er versuchte, andere dazu zu bringen, sie für ihn zu stehlen.«
»Und warum wollte er eine Prophezeiung über mich stehlen?«
»Über euch beide, Potter, über euch beide … hast du dich nie gefragt, warum der Dunkle Lord dich töten wollte, als du noch ein Baby warst?«
Harry starrte in die Augenschlitze, durch die Malfoys graue Augen schimmerten. War diese Prophezeiung der Grund, warum Harrys Eltern gestorben waren, der Grund, warum er seine blitzförmige Narbe trug? Hielt er die Antwort auf all das in seiner Hand?
»Jemand hat eine Prophezeiung über mich und Voldemort gemacht?«, sagte er leise, den Blick auf Lucius Malfoy geheftet, und schloss die Finger fester um die warme Glaskugel in seiner Hand. Sie war kaum größer als ein Schnatz und immer noch körnig vor Staub. »Und er hat mich gezwungen herzukommen, damit ich sie für ihn hole? Warum konnte er nicht selbst kommen und sie holen?«
»Sie selbst holen?«, kreischte Bellatrix und ließ ein gackerndes, wahnsinniges Lachen hören. »Der Dunkle Lord soll einfach ins Zaubereiministerium spazieren, wo sie doch seine Rückkehr so hübsch ignorieren? Der Dunkle Lord soll sich den Auroren offenbaren, wo sie ihre Zeit im Moment doch mit meinem lieben Cousin verschwenden?«
»Also hat er euch dazu gebracht, die schmutzige Arbeit für ihn zu erledigen?«, sagte Harry. »Wie er auch versucht hat, Sturgis dazu zu bringen, sie zu stehlen – und Bode?«
»Sehr gut, Potter, sehr gut …«, sagte Malfoy langsam. »Aber der Dunkle Lord weiß, dass du nicht unintell–«
» JETZT !«, rief Harry.
Fünf verschiedene Stimmen hinter ihm brüllten: » REDUCTIO !« Fünf Flüche schossen in verschiedene Richtungen, und die Regale gegenüber zersplitterten, als sie auftrafen; der hoch emporragende Regalbau schwankte, während hundert Glaskugeln auseinanderbrachen, perlweiße Schemen Gestalt annahmen und dahinschwebten und ihre Stimmen aus einer unbekannten, lange schon toten Vergangenheit herüberhallten unter dem tosenden Lärm des berstenden Glases und des splitternden Holzes, die nun zu Boden regneten –
» LAUFT !«, schrie Harry, als die Regale bedrohlich schwankten und noch mehr Glaskugeln herabzufallen begannen. Er packte Hermines Umhang und zog sie mit sich, hielt sich einen Arm über den Kopf, während weitere Regalbruchstücke und Glasscherben auf sie herabprasselten. Ein Todesser hechtete durch die Staubwolke vorwärts und Harry stieß ihm den Ellbogen hart ins maskierte Gesicht. Alle riefen durcheinander, Schmerzensschreie waren zu hören und ohrenbetäubendes Krachen, als die Regale in sich zusammenbrachen, und inmitten all dessen die unheimlich widerhallenden Satzfetzen der aus den Kugeln befreiten Seher –
Harry fand den Weg vor sich frei und sah Ron, Ginny und Luna mit den Armen über den Köpfen an sich vorbeispurten; etwas Schweres traf ihn seitlich am Gesicht, doch er duckte nur den Kopf und rannte weiter; eine Hand packte ihn an der Schulter; er hörte Hermine »Stupor!« rufen. Die Hand ließ ihn sofort los –
Sie waren am Ende von Reihe siebenundneunzig; Harry wandte sich nach rechts und stürmte entschlossen los; er konnte dicht hinter sich Schritte hören und Hermines Stimme, die Neville antrieb; direkt vor ihnen stand die Tür, durch die sie gekommen waren, halb offen; Harry konnte das glitzernde Licht der Glasglocke sehen; er sauste durch die Tür, die Prophezeiung immer noch fest und sicher umklammert, und wartete, dass die anderen über die Schwelle gerannt kamen, um die Tür dann gleich hinter ihnen zuzuschlagen –
»Colloportus!«, keuchte Hermine und die Tür versiegelte sich mit einem seltsam glucksenden Geräusch.
»Wo – wo sind die anderen?«, keuchte Harry.
Er hatte gedacht, Ron, Luna und Ginny wären vor ihnen, sie warteten in diesem Raum,
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