Harry Potter und der Stein der Weisen
einfach nicht nachts in der Schule herumlaufen, denkt an die Punkte, die Gryffindor wegen euch verliert, wenn ihr erwischt werdet, und das werdet ihr sicher. Das ist wirklich sehr egoistisch von euch.«
»Und dich geht es wirklich nichts an«, sagte Harry.
»Auf Wiedersehen«, sagte Ron.
Trotz allem konnte man nicht gerade von einem gelungenen Abschluss des Tages reden, dachte Harry, als er später noch lange wach lag und hörte, wie Dean und Seamus einschliefen (Neville war noch nicht aus dem Krankenflügel zurückgekehrt). Ron hatte ihm den ganzen Abend lang Ratschläge erteilt, zum Beispiel: »Wenn er versucht, dir einen Fluch anzuhängen, dann weich ihm besser aus, ich weiß nämlich nicht, wie man sie abblocken kann.« Wahrscheinlich würden sie ohnehin von Filch oder Mrs Norris erwischt werden, und Harry hatte das Gefühl, dass er sein Glück aufs Spiel setzte, wenn er heute noch eine Schulregel brach. Andererseits tauchte ständig Malfoys grinsendes Gesicht aus der Dunkelheit auf – das war die große Gelegenheit, ihn von Angesicht zu Angesicht zu schlagen. Er konnte sie nicht sausen lassen.
»Halb zwölf«, murmelte Ron schließlich, »wir sollten aufbrechen.«
Sie zogen die Morgenmäntel an, griffen sich ihre Zauberstäbe und schlichen durch das Turmzimmer, die Wendeltreppe hinab und in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Ein paar Holzscheite glühten noch im Kamin und verwandelten die Sessel in gedrungene schwarze Schatten. Sie hatten das Loch hinter dem Porträt schon fast erreicht, als eine Stimme aus nächster Nähe zu ihnen sprach: »Ich kann einfach nicht glauben, dass du das tust, Harry.«
Eine Lampe ging flackernd an. Es war Hermine Granger, die einen rosa Morgenmantel trug und auf der Stirn eine tiefe Sorgenfalte.
»Du!« , sagte Ron zornig. »Geh wieder ins Bett!«
»Ich hätte es fast deinem Bruder erzählt«, sagte Hermine spitz, »Percy, er ist Vertrauensschüler, und er hätte das hier nicht zugelassen.«
Harry konnte es nicht fassen, dass sich jemand auf so unverschämte Weise einmischte.
»Los, weiter«, sagte er zu Ron. Er schob das Porträt der fetten Dame beiseite und kletterte durch das Loch.
So schnell gab Hermine jedoch nicht auf. Sie folgte Ron durch das Loch hinter dem Bild und fauchte wie eine wütende Gans.
»Ihr schert euch überhaupt nicht um Gryffindor, sondern nur um euch selbst. Ich jedenfalls will nicht, dass Slytherin den Hauspokal gewinnt und ihr sämtliche Punkte wieder verliert, die ich von Professor McGonagall gekriegt habe, weil ich alles über die Verwandlungssprüche wusste.«
»Hau ab.«
»Na gut, aber ich warne euch, erinnert euch an das, was ich gesagt habe, wenn ihr morgen im Zug nach Hause sitzt, ihr seid ja so was von –«
Doch was sie waren, erfuhren sie nicht mehr. Hermine hatte sich zu dem Porträt der fetten Dame umgedreht, um zurückzukehren, doch das Bild war leer. Die fette Dame war zu einem nächtlichen Besuch ausgegangen und Hermine war aus dem Gryffindor-Turm ausgesperrt.
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie mit schriller Stimme.
»Das ist dein Problem«, sagte Ron. »Wir müssen weiter, sonst kommen wir noch zu spät.«
Sie hatten noch nicht einmal das Ende des Ganges erreicht, als Hermine sie einholte.
»Ich komme mit«, sagte sie.
»Das tust du nicht .«
»Glaubt ihr, ich warte hier draußen, bis Filch mich erwischt? Wenn er uns alle drei erwischt, sage ich ihm die Wahrheit, nämlich dass ich euch aufhalten wollte, und ihr könnt es ja bestätigen.«
»Du hast vielleicht Nerven –«, stöhnte Ron.
»Seid still, beide!«, zischte Harry. »Ich hab etwas gehört.«
Es hörte sich an wie ein Schnüffeln.
»Mrs Norris?«, flüsterte Ron und spähte durch die Dunkelheit.
Es war nicht Mrs Norris. Es war Neville. Er lag zusammengekauert auf dem Boden und schlief, doch als sie sich näherten, schreckte er hoch.
»Gott sei Dank, dass ihr mich gefunden habt! Ich bin schon seit Stunden hier draußen. Ich hab das Passwort vergessen und bin nicht reingekommen.«
»Sprich leise, Neville. Das Passwort ist ›Schweineschnauze‹, aber das wird dir nicht weiterhelfen, die fette Dame ist nämlich ausgeflogen.«
»Was macht dein Arm?«, fragte Harry.
»Wieder in Ordnung«, sagte Neville und zeigte ihn vor. »Madam Pomfrey hat ihn in einer Minute heil gemacht.«
»Gut. Nun hör mal zu, Neville, wir müssen noch weiter, wir sehen uns später –«
»Lasst mich nicht allein!«, rief Neville und rappelte sich hoch. »Ich will nicht
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