0127 - Der grüne Spuk
Der Wagen hustete und blieb mit einem abrupten Ruck stehen.
»Verdammter Mist!« knurrte Yul Sturges. Er wandte den Kopf und blickte das Mädchen an, das neben ihm auf dem Beifahrersitz saß.
Sie hieß Tatum Gibb, war zwanzig, und Yul Sturges hatte sie in einer heißen Diskothek kennengelernt. Vier Cola-Bacardi hatten genügt, um Tatum Gibb zu bewegen, das Angebot des gutaussehenden, dunkelhaarigen Mannes anzunehmen.
Er wohnte im Norden von Westchester, und er hatte der Kleinen vorgeschlagen, die Nacht in seinem kleinen, bescheidenen Haus fortzusetzen. Tatum Gibb hatte sich nicht lange bitten lassen.
Und nun diese ärgerliche Panne.
Yul Sturges starrte das Armaturenbrett feindselig an. Es war einundzwanzig Uhr. Und es war kalt im Wagen, denn die Klimaanlage hatte bereits vor einer Woche den Geist aufgegeben.
»Was machen wir jetzt?« fragte Tatum Gibb überflüssigerweise.
»Ich bitte dich, töte mir nur nicht den Nerv«, gab Yul Sturges grimmig zurück. Eine Panne machte ihn immer furchtbar gereizt und wütend.
»Ist der Wagen denn nicht neu?« fragte das Mädchen.
»Second hand«, murmelte Yul Sturges. »Hat einem Vertreter gehört. Aber der Verkäufer hat einen Eid darauf abgelegt, daß die Karre so gut wie neu wäre. Der Bursche kann sich auf etwas gefaßt machen. Einen Yul Sturges legt man nicht so frech herein.«
Tatum Gibb blickte durch die Seitenscheibe. Sie sah ein kleines schwarzes Wäldchen. Die Gegend war ihr mit einemmal unheimlich.
»Du mußt etwas unternehmen«, sagte sie, während ihr die Gänsehaut kam.
»Wir können doch nicht die ganze Nacht hier draußen…«
»Tu mir den Gefallen, und halt den Mund, damit ich nachdenken kann.«
»In der Disko warst du netter.«
»Dort hatte ich auch keine Panne.«
Yul Sturges drehte den Startschlüssel. Der Anlasser mahlte, aber der Motor kam nicht mehr. Sturges arbeitete im Büro eines Steuerberaters. Von Autos hatte er keine Ahnung. Er wußte nur, daß sie fuhren, wenn sie fuhren. Wie, warum, wodurch, das interessierte ihn nicht.
Mit beiden Fäusten schlug er auf das Lenkrad. »Mistkarre!«
Er stieg aus. Der kalte Januarwind zersauste sein volles Haar und nahm ihm für einen Augenblick den Atem. Verdrossen schaute er sich um.
Der Abend hätte so toll werden sollen. Und nun fiel er wahrscheinlich ins Wasser, denn wenn der Wagen nicht bald wieder in Gang kommen würde, würde Tatum Gibb wahrscheinlich von der Müdigkeit übermannt werden und jedes Interesse an dem verlieren, was Sturges geplant hatte.
Sturges bat das Mädchen, an einem bestimmten Hebel zu ziehen. Es stellte sich dabei nicht sonderlich geschickt an. Das ärgerte ihn obendrein. Endlich fand es den Hebel.
Es löste damit die Motorhaubenverriegelung. Sturges hob den Deckel hoch und schaute verständnislos auf die Innereien des Chevrolets.
Ein heilloses Wirrwarr war das. Wer sollte sich darin zurechtfinden? Was, verdammt noch mal, war denn nun eigentlich schuld daran, daß der Chevi nicht mehr weiter wollte, daß er seinen Geist aufgegeben hatte? Ausgerechnet in dieser Nacht, in der Yul Sturges etwas Besonderes vorgehabt hatte.
»Hast du den Fehler schon?« fragte Tatum Gibb.
Halt die Klappe! dachte Sturges. »Nein«, brummte er unwillig.
»Wenn ich mich ans Steuer setze… Kannst du ihn dann bis zur nächsten Tankstelle schieben?«
Du hast sie wohl nicht alle! dachte Sturges. »Das Ding ist schwer wie ein Panzer. Allein kriege ich den Wagen nicht vom Fleck.«
»Du erwartest doch hoffentlich nicht von mir, daß ich dir schieben helfe.«
Ich erwarte von dir nur, daß du endlich dein dämliches Maul hältst! dachte Yul Sturges.
Dann fingerte er zwischen Kabeln, Schläuchen und Metallkrümmungen herum. Er machte sich schmutzig. Das war alles, was er erreichte.
Während der ganzen Zeit hatte er das Gefühl, jemand würde ihn heimlich beobachten. Er richtete sich mit finsterer Miene auf und ließ seinen Blick schweifen. Niemand war zu sehen.
Dennoch wurde Yul Sturges das Gefühl nicht los, daß ihm jemand zusah. Der Wind schüttelte Büsche und Baumkronen. Es raschelte gespenstisch. Es wisperte und raunte unheimlich.
Sturges ließ den Deckel mit einem lauten Knall zufallen. Tatum Gibb zuckte erschrocken zusammen. Sie hatte ein feingeschnittenes, ovales Gesicht mit großen Augen und langen, getuschten Wimpern. Ihr Haar war blond und fiel wild auf ihre Schulter.
»Weißt du, was ich jetzt mache?« fragte Yul Sturges. »Ich habe vorhin dort hinten Licht gesehen. Ein Haus. Ich
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