Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
Zauberei stand; angeblich spukte es auf dem Friedhof: Was wäre, wenn –? Doch dann hörte er ein Rascheln und sah an dem Busch, auf den Hermine gezeigt hatte, ein wenig Schnee herunterrieseln. Geister konnten keinen Schnee bewegen.
»Das ist eine Katze«, sagte Harry nach einigen Sekunden, »oder ein Vogel. Wenn es ein Todesser wäre, dann wären wir längst tot. Aber lass uns von hier verschwinden, und dann ziehen wir auch wieder den Tarnumhang über.«
Sie warfen dauernd Blicke zurück, während sie zum Ausgang des Friedhofs gingen. Harry, der keineswegs so unbefangen war, wie er Hermine gegenüber getan hatte, um sie zu beruhigen, war froh, als sie das Tor und den rutschigen Bürgersteig erreicht hatten. Sie hüllten sich wieder in den Tarnumhang. Im Pub war mehr los als zuvor: Vielstimmig erklang nun das Weihnachtslied, das sie gehört hatten, als sie auf die Kirche zugegangen waren. Harry überlegte kurz vorzuschlagen, dass sie Zuflucht in dem Pub suchen sollten, doch bevor er etwas sagen konnte, murmelte Hermine: »Lass uns hier langgehen«, und zog ihn eine dunkle Straße entlang, die auf der anderen Seite wieder aus dem Dorf hinausführte. Harry konnte erkennen, wo die Häuser aufhörten und der Weg sich im offenen Gelände verlor. Sie gingen, so schnell sie sich trauten, wieder an Fenstern vorbei, in denen bunte Lichter funkelten und hinter deren Vorhängen sich dunkle Umrisse von Weihnachtsbäumen abzeichneten.
»Wie sollen wir Bathildas Haus denn finden?«, fragte Hermine, die ein wenig zitterte und ständig über ihre Schulter zurückblickte. »Harry? Was meinst du? Harry?«
Sie zerrte an seinem Ärmel, aber Harry achtete nicht darauf. Er schaute auf das dunkle Gebilde, das ganz am Ende dieser Häuserzeile stand. Dann rannte er auch schon los und zog Hermine mit sich; sie rutschte ein wenig auf dem Eis.
»Harry –«
»Schau mal – schau mal da, Hermine …«
»Ich weiß nicht … oh!«
Er konnte es sehen; der Fidelius-Zauber musste mit James und Lily untergegangen sein. Die Hecke war wild gewuchert in den sechzehn Jahren, seit Hagrid Harry aus den Trümmern geholt hatte, die in dem hüfthohen Gras verstreut lagen. Zum größten Teil stand das Haus noch, wenn auch über und über mit dunklem Efeu und Schnee bedeckt, doch die rechte Seite der oberen Etage war weggesprengt worden; dort, da war Harry sicher, war der Fluch fehlgeschlagen. Er und Hermine standen am Tor und starrten hinauf zu dem zerstörten Haus, das einst vermutlich genauso ausgesehen hatte wie die anderen Häuser zu beiden Seiten.
»Warum es wohl nie wieder aufgebaut wurde?«, flüsterte Hermine.
»Vielleicht kann man es nicht wieder aufbauen?«, antwortete Harry. »Vielleicht ist es wie bei den Verletzungen durch schwarze Magie und man kann den Schaden nicht reparieren?«
Er schob eine Hand unter dem Tarnumhang hervor und griff nach dem schneebedeckten und stark verrosteten Tor, ohne es öffnen zu wollen, nur um etwas von dem Haus festzuhalten.
»Du gehst doch nicht da rein? Es sieht gefährlich aus, da könnte – oh, Harry, sieh mal!«
Das Berühren des Tores schien es ausgelöst zu haben. Ein Schild war vor ihnen aus dem Boden gestiegen, durch das Gestrüpp von Nesseln und Unkraut empor, wie eine ungewöhnliche, schnell wachsende Blume, und auf dem Holz stand in goldenen Buchstaben:
An dieser Stelle verloren in der Nacht des 31. Oktober 1981 Lily und James Potter ihr Leben. Ihr Sohn Harry ist bis heute der einzige Zauberer, der jemals den Todesfluch überlebt hat. Dieses Haus, für Muggel unsichtbar, wurde in seinem zerstörten Zustand belassen zum Gedenken an die Potters und zur Erinnerung an die Gewalt, die ihre Familie zerriss.
Und rings um diese sauber gesetzten Worte waren von anderen Hexen und Zauberern Kritzeleien hinzugefügt worden, die gekommen waren, um den Ort zu sehen, wo der Junge, der überlebt hat, entronnen war. Manche hatten nur ihre Namen mit Ewiger Tinte hingeschrieben; andere hatten ihre Initialen in das Holz geschnitzt, wieder andere hatten Botschaften hinterlassen. Die neuesten stachen deutlich unter den in sechzehn Jahren angesammelten magischen Graffiti hervor und lauteten alle ähnlich.
»Viel Glück, Harry, wo auch immer du bist.« »Wenn du das hier liest, Harry: Wir stehen alle hinter dir!« »Lang lebe Harry Potter.«
»Sie hätten nicht auf das Schild schreiben sollen!«, sagte Hermine entrüstet.
Aber Harry strahlte sie an.
»Das ist toll. Ich bin froh, dass sie es gemacht haben. Ich
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