Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
es?«, fragte Harry Hermine. »Hat Gryffindor das Schwert gestohlen?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie resigniert. »Die Geschichtsschreibung übergeht häufig, was die Zauberer den anderen magischen Arten angetan haben, aber ich kenne keine Darstellung, in der es heißt, dass Gryffindor das Schwert gestohlen hätte.«
»Das ist sicher wieder eine von diesen Koboldlegenden«, sagte Ron, »wonach die Zauberer immer versuchen, sie übers Ohr zu hauen. Ich denke, wir können von Glück reden, dass er nicht einen von unseren Zauberstäben haben will.«
»Kobolde haben gute Gründe, Zauberer nicht zu mögen, Ron«, sagte Hermine. »Sie wurden in der Vergangenheit grausam behandelt.«
»Kobolde sind auch nicht gerade kuschelige kleine Häschen, oder?«, erwiderte Ron. »Die haben viele von uns umgebracht. Die haben auch mit üblen Methoden gekämpft.«
»Aber wenn wir jetzt mit Griphook darüber streiten, welche Art am hinterhältigsten und gewalttätigsten ist, wird es nicht gerade wahrscheinlicher, dass er uns hilft, oder?«
Sie verstummten und dachten über eine Möglichkeit nach, das Problem zu umgehen. Harry blickte aus dem Fenster auf Dobbys Grab. Luna stellte gerade Meerlavendel in einem Marmeladenglas neben dem Grabstein auf.
»Okay«, sagte Ron und Harry drehte sich wieder zu ihm um, »wie wär’s damit? Wir sagen Griphook, dass wir das Schwert brauchen, bis wir im Verlies sind, und dann kann er es haben. Da ist eine Fälschung drin, oder? Wir tauschen die Schwerter und geben ihm das falsche.«
»Ron, er kann die vermutlich besser unterscheiden als wir!«, sagte Hermine. »Er war der Einzige, der erkannt hat, dass es jemand vertauscht hatte!«
»Jaah, aber wir könnten abhauen, bevor er merkt –«
Er wurde ganz klein unter dem Blick, den Hermine ihm versetzte.
»Das«, sagte sie leise, »ist abscheulich. Ihn um Hilfe bitten und ihn dann hereinlegen? Und du fragst dich, warum Kobolde keine Zauberer mögen, Ron?«
Ron hatte rote Ohren bekommen.
»Schon gut, schon gut! Was Besseres ist mir eben nicht eingefallen! Und wie willst du die Sache lösen?«
»Wir müssen ihm etwas anderes anbieten, etwas genauso Wertvolles.«
»Na toll. Ich geh und hol eins von den antiken Schwertern aus Koboldhand, die wir sonst noch haben, und du kannst es als Geschenk einpacken.«
Erneut verfielen sie in Schweigen. Harry war sicher, dass der Kobold nichts als das Schwert annehmen würde, selbst wenn sie etwas ebenso Wertvolles hätten, das sie ihm anbieten könnten. Doch das Schwert war ihre einzige, unentbehrliche Waffe gegen die Horkruxe.
Er schloss einige Momente lang die Augen und lauschte dem Brausen des Meeres. Die Vorstellung, dass Gryffindor das Schwert gestohlen haben könnte, behagte ihm nicht; er war immer stolz gewesen, ein Gryffindor zu sein; Gryffindor war der Fürsprecher der Muggelstämmigen gewesen, der Zauberer, der mit Slytherin, dem Freund der Reinblüter, aneinandergeraten war …
»Vielleicht lügt er«, sagte Harry und schlug die Augen wieder auf. »Griphook. Vielleicht hat Gryffindor das Schwert gar nicht gestohlen. Woher wissen wir, dass die Koboldversion der Geschichte stimmt?«
»Macht das einen Unterschied?«, fragte Hermine.
»Ich hätte ein anderes Gefühl dabei«, sagte Harry.
Er holte tief Luft.
»Wir sagen ihm, dass er das Schwert bekommt, nachdem er uns geholfen hat, in dieses Verlies zu gelangen – aber wir werden uns hüten, ihm zu sagen, wann genau er es haben kann.«
Auf Rons Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Hermine jedoch sah beunruhigt aus.
»Harry, wir können nicht –«
»Er kann es haben«, fuhr Harry fort, »nachdem wir alle Horkruxe damit erledigt haben. Ich sorge dafür, dass er es dann bekommt. Ich werde mein Wort halten.«
»Aber das könnte Jahre dauern!«, sagte Hermine.
»Das weiß ich, aber er braucht es nicht zu wissen. Ich werde nicht lügen … nicht wirklich.«
Harry begegnete ihrem Blick mit einer Mischung aus Trotz und Scham. Er erinnerte sich an die Worte, die über dem Tor von Nurmengard eingemeißelt waren: Für das größere Wohl . Er schob den Gedanken beiseite. Hatten sie eine andere Wahl?
»Das gefällt mir nicht«, sagte Hermine.
»Mir auch nicht besonders«, gab Harry zu.
»Also, ich finde es genial«, meinte Ron und erhob sich. »Gehen wir und sagen es ihm.«
Als sie wieder in dem kleinsten Schlafzimmer waren, unterbreitete Harry das Angebot und achtete darauf, es so zu formulieren, dass er keinen bestimmten Zeitpunkt für die
Weitere Kostenlose Bücher