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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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schmoren. » Ich kenne Sie nun schon sehr lange, Will. Bei einigen Dingen müssen Sie mir einfach vertrauen.«
    » Habe ich eine andere Wahl?«
    » Nicht wirklich, aber ich gebe Ihnen die Gelegenheit, mir alle Wohltaten zu vergelten, die ich Ihnen im Lauf der Jahre gewährt habe.«
    Am liebsten hätte er ihr gesagt, wohin sie sich all ihre Wohltaten stecken könne, aber Will war noch nie der Mann gewesen, der alles sagte, was ihm in den Sinn kam. » Sie behandeln mich wie einen Hund an der Leine.«
    » Das ist eine Interpretation.« Sie hielt kurz inne. » Ist Ihnen noch nie in den Sinn gekommen, dass ich Sie schütze?«
    Er kratzte sich wieder am Kiefer und spürte die vernarbte Verletzung, die ihm vor vielen Jahren zugefügt worden war. Normalerweise scheute er jede Selbstbeobachtung, aber sogar ein Blinder sah, dass er merkwürdig dysfunktionale Beziehungen zu allen Frauen in seinem Leben hatte. Faith war wie eine herrische ältere Schwester. Amanda war die schlimmste Mutter, die er je gehabt hatte. Angie war eine Mischung aus beiden, was aus offensichtlichen Gründen beängstigend war. Sie konnten gemein und kontrollierend sein, und vor allem Angie konnte grausam sein, aber Will hatte nie geglaubt, dass eine von ihnen ihm je wirklich etwas Böses wollte. Und zumindest in einem hatte Amanda recht: Sie hatte Will immer geschützt, sogar, was allerdings selten vorkam, wenn sie dadurch ihren Job riskierte.
    Er sagte: » Wir müssen die Cadillac-Händler im Stadtgebiet anrufen. Der Gentleman fuhr keinen Honda. Wahrscheinlich gibt es nur eine Handvoll dieser Cadillacs auf der Straße. Ich glaube, er hat ein Schaltgetriebe. Das ist bei einem Viertürer ziemlich selten.«
    Zu seiner Überraschung sagte sie: » Das ist eine gute Idee. Kümmern Sie sich darum.«
    Will griff in seine Tasche und dachte zu spät daran, dass er sein Handy nicht dabeihatte. Und auch die Waffe und die Marke nicht.
    Amanda warf ihm ihr Handy zu, während sie in die Ausfahrt einscherte, ohne auch nur die Bremse zu berühren. » Was läuft eigentlich zwischen Ihnen und Sara Linton?«
    Er klappte ihr Handy auf. » Wir sind Freunde.«
    » Vor ein paar Jahren habe ich mit ihrem Mann einen Fall bearbeitet.«
    » Schön.«
    » Das sind verdammt große Fußstapfen, in die Sie da treten, mein Freund.«
    Will wählte die Auskunft und fragte nach der Nummer des nächsten Cadillac-Händlers.
    Während Will hinter Amanda her an dem Korridor vorbeiging, der zum Hinrichtungsraum führte, musste er sich eingestehen, dass er Besuche im Gefängnis hasste– nicht nur im D&C , sondern in jedem Gefängnis. Die beständige Gewaltandrohung, bei der sich jeder Insasse fühlte wie ein simmernder Topf, den man zu lange auf dem Herd gelassen hatte, konnte er ertragen. Ertragen konnte er auch den Lärm und den Dreck und die bösen Blicke aus toten Augen. Was er nicht ertragen konnte, war das Gefühl der Hilflosigkeit, das das Eingesperrtsein hervorrief.
    Sie konnten Drogen verkaufen und andere krumme Geschäfte machen, letztendlich aber hatten sie keine Kontrolle über die grundlegenden Dinge, die sie zu Menschen machten. Sie konnten nicht duschen, wann sie wollten. Sie konnten nicht unbeobachtet auf die Toilette gehen. Sie mussten jederzeit damit rechnen, dass sie sich für eine Leibesvisitation splitternackt ausziehen und sogar ihre Körperöffnungen inspizieren lassen mussten. Ohne Erlaubnis konnten sie nicht spazieren gehen oder ein Buch aus der Bücherei holen. Ihre Zellen wurden regelmäßig nach Schmuggelware durchsucht, die von einer Autozeitschrift bis zu Zahnseide alles sein konnte. Sie aßen nach einem Zeitplan, den andere aufgestellt hatten. Das Licht wurde nach der Uhr anderer aus- und eingeschaltet. Bei Weitem das Schlimmste aber waren die beständigen Berührungen. Die Wachleute fassten sie dauern an– sie bogen ihnen die Arme nach hinten, klopften ihnen beim Zählappell auf den Kopf, stießen sie vor oder rissen sie zurück. Nichts gehörte ihnen, nicht einmal der eigene Körper.
    Es war wie das schlimmste Kinderheim auf Erden, nur mit mehr Gitterstangen.
    Das D&C war das größte Gefängnis in Georgia und diente, unter anderem, auch als eines der wichtigsten Aufnahme- und Verteilungszentren für alle Verurteilten, die in das staatliche Strafsystem kamen. Es gabt acht Zellenblocks mit Einzel- und Doppelstockbetten zusätzlich zu acht Schlafsälen. Im Verlauf des Aufnahmeverfahrens wurden alle staatlichen Gefangenen einer allgemeinen medizinischen

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