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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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hatte. Sie schnappten sich eine Tochter, einen Sohn, eine Nichte oder einen Neffen und zerschnitten ihnen das Gesicht, einmal mit dem Messer quer über die Stirn und dann vertikal über die Nase bis zum Kinn.«
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, legte Will die Hand auf die Narbe an seinem Unterkiefer.
    » In einem gewissen Stadium der Ermittlungen wegen der Kindsmorde in Atlanta standen Los Texicanos ganz oben auf unserer Liste. Das war ziemlich am Anfang, im Herbst 1979. Ich war damals eine bessere Assistentin des obersten Verbindungsoffiziers für Fulton, Cobb und Clayton. Evelyn gehörte zur Sondereinheit des APD und holte meistens Kaffee, bis es an der Zeit war, mit den Eltern zu reden, dann musste sie ran. Man war übereinstimmend der Meinung, dass die Texicanos ihrer Kundschaft eine deutliche Warnung übermitteln wollten. Heute wirkt das lächerlich, aber zu der Zeit hofften wir, sie wären es.« Sie wechselte die Spur. » Sie waren damals um die vier Jahre alt, Sie werden sich also nicht erinnern, aber es war eine sehr angespannte Zeit. In der ganzen Stadt herrschte Angst und Schrecken.«
    » Klingt so«, sagte er, überrascht, dass sie sein Alter kannte.
    » Kurz nach den Kindsmorden kam einer der obersten Texicanos bei einem internen Machtkampf ums Leben. Sie halten ziemlich eng zusammen. Wir haben nie herausgefunden, was passierte oder wer die Macht übernahm, aber wir wissen, dass der Neue viel mehr geschäftsorientiert war. Keine Gewalt mehr nur um der Gewalt willen. Er setzte das Geschäft an die erste Stelle, trennte sich von den riskanteren Komponenten. Sein Motto war, das Koks soll fließen, nicht das Blut auf den Straßen. Als sie dann in den Untergrund gingen, waren wir froh, sie ignorieren zu können.«
    » Wer hat jetzt das Sagen?«
    » Ignatio Ortiz ist der einzige Name, den wir kennen. Er ist das Gesicht der Gang. Es gibt noch zwei andere, aber die halten sich unglaublich bedeckt, und alle drei findet man nie an einem Ort zusammen. Bevor Sie fragen, Ortiz sitzt im Phillips State Prison das dritte Jahr einer siebenjährigen Strafe wegen versuchten Totschlags ohne Bewährungsmöglichkeit ab.«
    » Versuchter?«
    » Kam nach Hause und überraschte seine Frau mit seinem Bruder im Bett. Es geht das Gerücht, er hätte mit Absicht danebengeschossen.«
    Will nahm an, dass Ortiz das Geschäft problemlos auch vom Gefängnis aus führen konnte. » Würde es sich lohnen, mit ihm zu reden?«
    » Auch wenn wir einen triftigen Grund hätten, würde er sich nie mit uns in einen Raum setzen ohne seinen Anwalt, der dann stur behauptet, sein Mandant sei nur ein gewöhnlicher Geschäftsmann, der sich von seiner Leidenschaft hat hinreißen lassen.«
    » Wurde er davor schon einmal verhaftet?«
    » Ein paar Mal in seiner Jugend, aber nichts Großes.«
    » Die Gang agiert also noch immer im Untergrund?«
    » Hin und wieder erscheinen sie auf der Bildfläche, um den Jüngeren was beizubringen. Erinnern Sie sich noch an den Vatertagsmord letztes Jahr in Buckhead?«
    » Der Kerl, dem man vor den Augen seiner Kinder die Kehle aufschlitzte?«
    Sie nickte. » Vor dreißig Jahren hätten sie auch seine Kinder getötet. Man könnte sagen, sie sind mit dem Alter weich geworden.«
    » Ich würde das kaum weich nennen.«
    » Im Knast sind die Texicanos als Kehlenschlitzer bekannt.«
    » Der Gentleman im Kofferraum war weit oben in der Nahrungskette.«
    » Warum glauben Sie das?«
    » Er hat nur ein Tattoo.« Junge Gang-Mitglieder benutzten im Allgemeinen ihren Körper als Leinwand, um ihr Leben zu illustrieren, ließen sich für jeden Mord eine Träne unter das Auge tätowieren oder überzogen Ellbogen und Schultern mit Spinnennetzen als Zeichen, dass sie bereits gesessen hatten. Die Tattoos wurden immer mit Tinte aus Kugelschreiberminen, der sogenannten » Knasttinte«, gestochen, und sie erzählten immer eine Geschichte. Außer ihre Geschichte war so schlimm, dass sie nicht erzählt werden musste.
    Will sagte: » Ein sauberer Körper bedeutet Geld, Macht, Kontrolle. Der Gentleman ist schon älter, wahrscheinlich Anfang sechzig. Das heißt, er war so ziemlich von Anfang an mit dabei. Sein Alter ist sein Ehrenzeichen. Ein solcher Lebensstil ist nicht gerade ein Garant für Langlebigkeit.«
    » Man wird nicht alt, indem man dumm ist.«
    » Man wird nicht alt, indem man in einer Gang ist.«
    » Wir können nur hoffen, die APD teilt uns die Identität dieses Gentlemans mit, wenn sie sie herausgefunden haben.«
    Will schaute sie

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