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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Untersuchung unterzogen, einer psychologischen Beurteilung, einem Verhaltenstest sowie einer Bedrohungseinschätzung zur Zuweisung einer Sicherheitsstufe, die dann bestimmte, ob sie in eine Einrichtung mit minimaler, mittlerer oder maximaler Sicherheit gehörten.
    Wenn sie Glück hatten, dauerte der Diagnose- und Klassifizierungsprozess etwa sechs Wochen, erst danach wurden sie in ein anderes Gefängnis überwiesen oder in die Abteilungen des D&C verlegt. Bis dahin blieben die Insassen dreiundzwanzig Stunden pro Tag weggeschlossen, das hieß, dass sie bis auf eine Stunde pro Tag in ihren Zellen bleiben mussten. Zigaretten, Kaffee oder Limonade waren nicht erlaubt. Sie konnten pro Woche nur eine Zeitung kaufen. Bücher waren nicht gestattet, nicht einmal die Bibel. Es gab keine Fernseher. Keine Radios. Keine Telefone. Es gab einen Gefängnishof, aber die Gefangenen durften nur an drei Tagen pro Woche hinaus, und das auch nur, wenn das Wetter es erlaubte und lediglich für die Zeit, die ihnen von ihrer Stunde pro Tag blieb. Nur Dauerinsassen durften Besuch erhalten, und nur in einem Raum, der in zwei Hälften geteilt war durch einen Maschendraht, und man musste schreien, um sich durch die Stimmen der anderen Besucher verständlich zu machen. Keine Berührungen. Kein Umarmen. Kein wie auch immer gearteter Körperkontakt.
    Maximale Sicherheit.
    Es gab einen Grund, warum die Selbstmordraten in Gefängnissen dreimal höher waren als draußen. Es brach einem schier das Herz, wenn man über ihre Lebensbedingungen nachdachte, bis man dann in ihrer Akte las. Vergewaltigung von Minderjährigen. Schwerster analer Missbrauch mit einem Baseballschläger. Häusliche Gewalt. Entführung. Totschlag. Erschießen. Verprügeln. Verstümmeln. Erstechen. Aufschlitzen. Verbrühen.
    Aber die wirklich bösen Jungs saßen im Todestrakt. Sie waren wegen so abscheulicher Morde verurteilt worden, dass der Staat nicht anders mit ihnen umzugehen wusste, als sie zu töten. Sie waren vom Rest der Insassen getrennt. Ihr Leben war noch eingeschränkter als das der Begutachtungsgefangenen. Totales Wegschließen. Absolute Isolation. Nicht eine Stunde pro Tag in der Sonne. Keine gemeinsamen Mahlzeiten. Kein Heraustreten aus den Eisenstangen, die sie in ihren Zellen hielten, bis auf ein Mal pro Woche für eine Dusche. Tage konnten vergehen, ohne dass man die Stimme eines anderen Mannes hörte. Jahre konnten vergehen, ohne dass man eine menschliche Berührung spürte.
    Hier war Boyd Spivey untergebracht. Hier lebte der ehemals hoch dekorierte Polizist und wartete auf seinen Tod.
    Will zog die Schultern hoch, als die Tür zum Todestrakt sich hinter ihnen schloss. In Gefängnissen wurden Gänge und Korridore weit und offen geplant, damit man einen Laufenden auch aus hundert Meter Entfernung mit einem Gewehr niederstrecken konnte. Ecken und Einmündungen hatten scharfe Winkel von präzise neunzig Grad, um ein Herumlungern zu verhindern. Die Decken waren hoch, damit die Hitze so vieler schwitzender Körper aufsteigen konnte. Alles war mit Maschendraht oder Gitterstangen versehen– Fenster, Türen, Deckenlampen, Schalter.
    Trotz des Frühlingswetters lag die Innentemperatur bei über fünfundzwanzig Grad. Will bedauerte sofort, dass er unter seiner schweren Jeans noch immer die Laufshorts trug, die scheuerten und zwickten und offensichtlich nicht dafür gedacht waren, unter einem anderen Kleidungsstück getragen zu werden. Amanda schien sich, wie immer, trotz der schmierig aussehenden Eisenstangen und der Alarmknöpfe im Drei-Meter-Abstand an den Wänden, hier sehr unbefangen zu bewegen. Die Dauerinsassen des D&C waren als Gewaltverbrecher eingestuft. Viele von ihnen hatten nichts zu verlieren, aber durch vorsätzliche Gewalttaten sehr viel zu gewinnen. Einem Deputy Director des GBI das Leben zu nehmen wäre für jeden Mann hier eine Großtat. Will wusste nicht, was sie über Polizisten dachten, die Kollegen töteten, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass das eine große Auszeichnung für Insassen war, die ihren Status erhöhen wollten.
    Aus diesem Grund wurden sie von zwei Wachmännern begleitet, die ungefähr so groß wie Gastronomie-Kühlschränke waren. Einer ging vor Amanda und der andere hinter Will, sodass er sich sehr zierlich vorkam. Im Gefängnis durfte niemand Schusswaffen tragen, aber diese beiden hatten ein ganzes Arsenal von Waffen an ihren Gürteln: Pfefferspray, Stahlknüppel und, das Schlimmste von allem, einen Ring mit klirrenden

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