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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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wie soll es weitergehen – wohin? Jetzt war nicht mehr bloß meine Karte sinnlos, jetzt schwand auch die letzte Orientierung. Ich sah und hörte die Welt vor lauter Schneeflocken nicht mehr, ich wurde schneetaub und schneeblind.Wäre eine Farm aufgetaucht, gar nicht weit vom Weg, ich wäre an ihr vorübergegangen, ohne sie zu bemerken, so dicht fiel und wehte der Schnee.
    Ein sachter Schwindel erfaßte mich. Als ich das nächste Avenue-Schild im Gestöber entdeckte, eine unverhoffte Senkrechte in der wirbelnden Welt, ließ ich mich an ihr herabsinken, riß den Rucksack auf, zerrte die Rettungshaut hervor, außen silbern, innen rot, und hüllte mich ganz hinein. Da blieb ich hocken, ein atmendes Silberhäuflein in der großen Gleichgültigkeit, und schneite langsam ein. Um nicht wegzudämmern, summte ich ein Lied, das russische Lied vom Tod. Wald, öde Heide, kein Haus weit und breit. Kamst wohl, mein Bäuerlein, aus der Schenke. Trankst dir ein Räuschlein an, ich denke. Komm, leg ein wenig zur Rast dich nieder, schütt du, Schneesturm, ihm auf das Bette! Auf, rüst ihm sorglich die Ruhestätte.
    Mein Geist ging ein und aus mit jedem Atemzug, jetzt sah ich den betrunkenen Bauern sich durch den Schnee schleppen, jetzt sah ich mich selbst unter meiner Silberdecke hervorblinzeln, jetzt sah ich, was da aufgeschüttelt wurde, das Taigatotenbett für ihn, das Prärietotenbett für mich. Nicht mehr lange, und ich würde mich unter meine Plane strecken, ins sorglich aufgeschüttete Bett. Aber der Bettenmacher wollte mich noch nicht – das Gestöber ließ nach. Es legte sich schließlich ganz und gab den Blick frei auf etwas, das wie ein Haus aussah, und das war es, ein Haus, eine kleine Farm.
    Ich fand keine Schelle und klopfte. Niemand öffnete, aber es gab eine frische Spur im Schnee, das Haus war nicht unbewohnt. Ich pochte noch einmal. Endlichhörte ich drinnen Schritte, jemand schlurfte herbei. In der Tür erschien ein hochgewachsener Mann, von der Hüfte abwärts in ein buntgestreiftes Handtuch gewickelt, seine dürren Knie schauten heraus. Obgleich er grau war und eingefallen, mußte er einmal eine stattliche Figur abgegeben haben. An ihm vorbei sprangen zwei Hunde heraus, das ganze Gegenteil ihres Herrn, klein und schwer.
    «Kann ich helfen?» fragte er jetzt. «Wo ist denn Ihr Auto liegengeblieben?»
    «Kein Auto, ich bin zu Fuß unterwegs.»
    «Zu Fuß?» Er hatte etwas Militärisches an sich, trotz des bunten Handtuchs. Er musterte mich wie ein Ausbilder, der schon vieles gesehen hat und sich nichts daraus macht, wie idiotisch einer daherkommt, er würde ihn schon zurechtschleifen. «Entschuldigen Sie», sagte er, auf das Handtuch deutend, «ich habe Krebs, ich habe niemanden erwartet und konnte nicht so schnell zur Tür kommen. Sie haben also kein Auto.»
    «Ich glaube, ich habe mich verlaufen.»
    «Sie haben sich verlaufen? Sie wollen mir sagen, Sie laufen im Schneesturm zu Fuß in der Prärie herum?»
    Gern wäre ich sang- und klanglos verschwunden, es war mir unangenehm, ihn aus seiner Winterruhe aufzustören. Das ging nun nicht mehr. Er hatte mir geöffnet und mir eine Frage gestellt, ich mußte etwas vorbringen. Ich wühlte die Karte wieder heraus und zeigte ihm die Stelle, an der ich glaubte, von der großen Straße abgebogen zu sein.
    Er sah meine Verlegenheit und deutete sie auf seine Weise: «Warum sagen Sie nicht geradeheraus, daß Sie
darum
hier sind?» Er machte eine unwirsche Handbewegung ins Land hinaus.
    «Darum – was meinen Sie damit?»
    «Halten Sie mich nicht zum Narren. Sie sind nicht der erste, der vor dieser Tür steht und danach fragt. Allerdings ist noch keiner im tiefsten Winter gekommen, das muß ich zugeben.»
    «Ich fürchte, ich verstehe immer noch nicht.»
    «Jetzt hören Sie mal! Sie klopfen im Schneesturm an meine Tür. Laufen in einer Jahreszeit hier draußen herum, in der niemand seinen Hund vors Haus jagt. Jäger sind Sie jedenfalls nicht, Sie haben ja nicht mal ein Gewehr. Was ist – wollen Sie einen heißen Kaffee oder nicht?»
    Wir gingen hinein. Er ließ sich in einen schweren Sessel fallen, der so ans Fenster gerückt war, daß er freien Blick ins Land bot. Viel war allerdings nicht zu erkennen, der Schnee fiel wieder dichter. Was der Mann nötig hatte, lag und stand in Reichweite. Ein Zehnerpack plastikverschweißter Wasserflaschen, aufgerissen, eine billige weiße Thermoskanne. Ein zerkratzter Armeefeldstecher lag auf der Armlehne, sein Jagdgewehr lehnte daran. Auf

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