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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Brocken Schokolade, dankte dem Haus und warf einen letzten Blick auf den gotischen Kornspeicher. Dann ging ich nach Berthold, nach Süden.
    Rotes, rotes Auto
    Als ich in die erste Stadt kam, Minot, fielen mir die Warnungen vor dem Gehen durch Amerika wieder ein. Draußen im offenen Land hatte die Straße befestigte Ränder, die mir zwar nicht zugedacht waren, auf denen es sich aber laufen ließ, mal leichter, mal schwerer. Hatte ich Pech, war der Rand aus grobem Schotter, hatte ich Glück, lief ich auf einem Teppich aus feinem Split. Wo die Stadt begann, endete derlei Luxus.
    Minot betreten hieß, hin und her zu springen, links, rechts – rechts, links, einen Fuß im Autoverkehr, den anderen in Vorgärten, an Böschungen, in einer Einfahrt. Noch schwerer passierbar waren Straßenkreuzungen und Überführungen. Wer zu Fuß hinübermußte, nahm sich besser am Hasen ein Beispiel. Hakenschlagend kam ich voran, Stück für Stück in die Stadt hinein. Sie empfing mich mit einem Strauß konsternierter Blicke durch Windschutzscheiben und mit einer neuen Warnung: Ein Blizzard zog heran, es stand auf Tafeln an der Straße geschrieben, er wurde noch heute erwartet.
    Gewohnt, in einem fremden Ort das Zentrum zu suchen, dort würde sich alles finden, lief ich immer weiter durchs Spalier der Autohäuser, Läden und Tankstellen; eine europäische Dummheit, ich hing ihr an, bis ich merkte, daß die eine, große Straße, die durch die Stadt führte, ausdünnte und wieder zur Landstraße wurde. Ich warf einen Blick auf die Karte. Ich war dabei,Minot in Richtung des Luftwaffenstützpunktes zu verlassen. Minot war eine der größten Raketenbasen des Kalten Krieges gewesen, der Stützpunkt lag wenige Meilen vor der Stadt, seine Straßen hießen Missile Avenue, Bomber Boulevard, Rocket Road. Hier, nahe der Nordgrenze, hatte Amerika den sowjetischen Atomangriff erwartet, von hier aus hatte es ihn parieren wollen und seine eigenen Interkontinentalraketen auf Moskau gerichtet, auf dem kürzesten Weg über den Nordpol.
    Ich wollte nicht wieder nach Norden, ich wollte nach Süden und kehrte um. Sturmböen rasten mir entgegen, Schnee trieb, heftiger als draußen in Hartland, der Blizzard machte Ernst. Wenige Minuten, und Minot war keine Stadt mehr – ein milchiggraues, aufgelöstes Etwas, das an mir zerrte und meine Augen verklebte. Das Spalier der Autohäuser und Tankstellen war alles, woran ich mich halten konnte. Hinaus ins Land zu laufen, wäre Selbstmord gewesen, und ein Motel war mir nicht untergekommen, also hin und her, hin und her, die Verzweiflung hielt sich bereit, das Kommando zu übernehmen.
    Da leuchtete ein Rot auf irgendwo im wüsten Gewirbel. So klar, so rein, so rot stand er da – ein Pickup oder auch Truck, ein Dodge Dakota Bighorn mit vollem Namen. Und hinter der Scheibe der Aushang: Fahrer nach Rapid City gesucht. Ein paar Minuten später hielt ich den Schlüssel in der Hand, warf den Rucksack auf die Rückbank, startete den Motor und fuhr los. Drei Tage hatte ich Zeit, dann war das Auto in Rapid City zu übergeben, einer Stadt jenseits des Missouri, am Rande der Black Mountains. Ich ließ Minot hinter mir. Es stürmtenun heftiger, ich spürte, wie der Wind gegen den Pickup drückte, wie er an den Seitenteilen der Ladefläche riß, und versuchte, mich von der Straße zu schieben, in Schnee und Morast. Doch ich fuhr und fuhr.
     
    Bismarck erreichte ich bei Nacht. Ich blieb in einem Motel draußen am Highway. Erst am anderen Morgen sah ich das Hochhaus, eines im alten, steinernen Stil. Weithin sichtbar überragte das Capitol von Bismarck die flache Stadt. Ich fuhr hin, betrat seine feierlich dunklen Art-déco-Flure und befand mich auf einmal vor den Räumen des Gouverneurs. Die Tür zu seinem Vorzimmer stand offen. Drinnen sah ich drei niedliche Hunde hängen, in Öl gemalt, und einen prachtvollen Häuptlingsschmuck aus Adlerfedern. Ich nahm den Fahrstuhl nach ganz oben, um aus dem neunzehnten Stock einen Blick ins Land zu werfen. Vor einem gerahmten Luftbild blieb ich stehen, es zeigte eine Ansicht, die es nicht mehr gab: das Capitol des Jahres 1925.   Sandwege liefen auf das hohe Haus zu, dahinter meinte ich den Missouri zu erkennen, ein helles Band. Fünf Jahre darauf brannte das erste Capitol nieder und war durch das jetzige Hochhaus ersetzt worden.
    Was für eine fitzcarraldohafte Kühnheit, der Wolkenkratzer wie auch der Name der Stadt! Natürlich war Otto von Bismarck nie hier gewesen, er stand in keiner

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