Hasturs Erbe - 15
Comyn-Augen, die bei uns spionieren.”
„Aber das bedeutet, daß sie grundsätzlich unkontrollierbar ist”, sagte ich. „Eine abgeschirmte Matrix hat einen Sicherheitsfaktor:
Wenn sie außer Kontrolle gerät, übernimmt der Monitor sie und zerbricht den Zirkel. Deshalb habe ich meine rechte Hand noch.” Ich zeigte die häßliche Narbe. Er wich sichtlich zurück und sagte:
„Hast du Angst?”
„Daß es wieder passiert? Nein, ich weiß, welche Vorsichtsmaßnahmen ich ergreifen muß. Aber vor dieser Matrix? Ja, das habe ich.”
„Ihr Comyns seid abergläubische Feiglinge. Mein ganzes Leben lang habe ich von den im Arilinn ausgebildeten Telepathen und, ihrer Technik gehört. Und jetzt hast du Angst…” Zorn stieg in mir auf. Comyn war ich. Aber feige? Ich hatte das Gefühl, daß die Wut in mir hochstieg, pulsierte und durch meinen Arm schoß, der die Matrix hielt. Ich warf sie zurück ins Schwert und versiegelte sie dort. Thyra sagte: „Wir haben nichts davon, wenn ihr euch beschimpft. Lew, kann man die Matrix für das benutzen, was Beltran vorhat?” Ich spürte in mir ein unbegreifliches Gefühl, das Schwert wieder in die Hand nehmen zu wollen. Die Matrix schien mich zu rufen, zu fordern, daß ich sie herausnähme, sie beherrsche … Es war eine sinnliche Begierde. Konnte der Stein wirklich so gefährlich sein? Ich hüllte die Leintücher um sie herum und dachte über Thyras Frage nach.
Schließlich sagte ich: „Vorausgesetzt, man hat einen voll ausgebildeten Zirkel, auf den man sich verlassen kann, ja. Ein Zirkel im Turm besteht normalerweise aus sieben oder acht Mechanikern und der Bewahrerin, und wir gehen nur selten mit vier- oder fünfschichtigen Matrizes um. Ich weiß, daß diese hier stärker ist. Und wir haben keine ausgebildete Bewahrerin.”
„Thyra kann das machen”, sagte Kadarin.
Ich dachte einen Moment darüber nach. Sie hatte schließlich uns alle auf sich bezogen und mit rascher Präzision die Zentralposition eingenommen. Doch schließlich schüttelte ich den Kopf.
„Ich würde es nicht riskieren. Sie hat zu lange wild gearbeitet. Sie hat sich die Technik beigebracht, und unter Belastung könnte sie die Kontrolle verlieren.” Ich dachte an die stolze Bestie, die ich gefühlt hatte, als sich der Zirkel formte. Ich spürte Thyras Blick und wurde sehr verlegen, doch man hatte mich innerhalb eines Zirkels zu absoluter Aufrichtigkeit erzogen. Man kann sich nicht voreinander verstecken. Es ist eine Katastrophe, wenn man es auch nur versucht.
„Ich kann sie kontrollieren”, sagte Kadarin.
„Tut mir leid, Bob, das ist nicht die richtige Antwort. Sie muß sich selber kontrollieren, andernfalls wird es sie umbringen, und es ist kein schöner Tod. Ich könnte sie auch selber kontrollieren, aber grundsätzlich ist es Aufgabe der Bewahrerin, die Kontrolle auszuüben. Ich vertraue ihrer Kraft, Bob, aber nicht ihrem Urteil unter Belastung. Wenn ich mit ihr arbeiten soll, muß ich ihr unbedingt vertrauen. Und das kann ich nicht. Nicht als Bewahrerin. Ich glaube, Mariorie könnte es übernehmen - wenn sie will.”
Kadarin blickte Mariorie mit einem komischen, verzerrten Lächeln an. Er sagte: „Du rationalisierst das doch. Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, daß du in sie verliebt bist und willst, daß sie diesen Ehrenposten erhält?”
„Du bist wahnsinnig”, sagte ich. „Verdammt, ja. Ich bin in sie verliebt! Aber mir wird klar, daß du von Matrixzirkeln keine Ahnung hast. Glaubst du etwa, ich will, daß sie in diesem Zirkel Bewahrerin wird? Weißt du denn nicht, daß es mir damit unmöglich gemacht wird, sie zu berühren? Solange sie Bewahrerin ist, darf niemand von uns sie anfassen - und ich am allerwenigsten, weil ich sie liebe und begehre. Wußtest du das nicht?” Langsam löste ich meine Hand aus Marjories Fingern. Sie fühlten sich kalt und verlassen an.
„Aberglaube der Comyn”, sagte Beltran verächtlich. „Absoluter Blödsinn über Jungfrauen und Keuschheit! Glaubst du diesen Unsinn etwa wirklich?”
„Verdammt das ist keine Sache des Glaubens”, gab ich zurück, „außerdem müssen Bewahrerinnen heutzutage keine Jungfrauen mehr sein. Aber solange sie in den Zirkeln arbeiten, sollten sie absolut keusch leben. Das ist eine physikalische Tatsache. Es hängt mit den Nervenströmungen zusammen. Es ist ebensowenig ein Aberglaube wie die Erkenntnis von Hebammen, daß eine schwangere Frau nicht zu schnell oder zu lange reiten und sich nicht zu eng schnüren darf. Und selbst dann ist es
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