Hasturs Erbe
Waffe in der Hand hielten. Dyan war schon etwas anderes. Regis fühlte einen Kloß in der Kehle und erinnerte sich an das Geschwätz der anderen Kadetten. Dyan hatte eine Vorliebe dafür, andere verwirrt und dummes Zeug anstellen zu sehen.
Es gelang ihm, den ersten Hieb zu parieren, ebenso den zweiten. Doch beim dritten glitt sein Parierhieb unglücklich an Dyans Klinge entlang, und er spürte, wie die Holzspitze hart gegen seine Rippen stieß. Dyan nickte ihm zu weiterzumachen, drängte ihn Schritt für Schritt zurück und berührte ihn schließlich noch einmal und wieder, dreimal rasch hintereinander. Regis errötete und senkte das Schwert.
Dann spürte er die Hand des Älteren hart auf seiner Schulter. »So, du bist also aus der Übung?«
»Ziemlich, Kapitän.«
»Hör auf zu untertreiben, Chiyu . Du hast mich ins Schwitzen gebracht, und nicht einmal der Waffenmeister kann das oft. Kennard hat dich viel gelehrt. Irgendwie hatte ich bei deinem hübschen Gesicht erwartet, daß du kaum etwas anderes als Tanzen beherrschtest. Nun, mein Junge, die regelmäßigen Lektionen können wir dir ersparen, aber du erscheinst doch besser zu den täglichen Übungsstunden. Das heißt, falls wir jemanden finden, der dir gleichkommt. Ich werde mich selber mit dir abgeben müssen.«
»Es wäre mir eine Ehre, Kapitän«, sagte Regis, hoffte aber, daß Dyan nicht zu diesem Wort stehen würde. Irgend etwas in dem Blick und den spöttischen Komplimenten des Älteren ließ ihn sich unwohl und sehr jung fühlen. Dyans Hand auf seiner Schulter war hart, fast ein schmerzhafter Griff. Er drehte Regis sanft herum, damit er ihm ins Gesicht sehen konnte. Er sagte: »Da du bereits über einige Kenntnisse im Schwertkampf verfügst, Vetter, findest du vielleicht den Gedanken gut, wenn ich dich darum bitte, mein Adjutant zu werden. Das hieße unter anderem, daß du nicht in der Kaserne zu schlafen hättest.«
Schnell sagte Regis: »Lieber nicht, Sir.« Er rang um eine akzeptable Erklärung. »Sir, das ist eine Stelle für einen … einen erfahrenen Kadetten. Wenn mir sogleich ein Ehrenposten angetragen wird, sieht es bestimmt so aus, als schlüge ich aus meiner Herkunft einen Vorteil, um mich vor dem zu drücken, was die anderen Kadetten zu tun haben. Danke für die Ehre, Kapitän, aber ich glaube, ich kann sie nicht annehmen.«
Dyan warf den Kopf zurück und lachte, und Regis schien es, als klänge das rauhe Lachen wie der tödliche Schrei eines Falken. Irgendwie war es wie ein Alptraum. Regis hatte das eindringliche Gefühl, es schon einmal erlebt zu haben.
Der Eindruck schwand so schnell, wie er gekommen war. Dyans Griff auf seiner Schulter lockerte sich.
»Ich schätze dich für diese Entscheidung, Vetter, und ich wage zu sagen, daß du recht hast. Du bist schon ein richtiger Diplomat. An deiner Antwort kann ich nichts Ehrenrühriges entdecken.«
Und wieder das wilde, raubvogelartige Lachen.
»Du kannst gehen, Kadett. Sag dem jungen MacAran, daß ich ihn sehen möchte.«
6
(Lew Altons Erzählung)
Vater blieb während der ersten Tage der Ratssitzungen bettlägerig, und ich war zu belastet und beschäftigt, um mich viel um die Kadetten kümmern zu können. Ich mußte an den Ratssitzungen teilnehmen, die sich zu diesem Zeitpunkt mit besonders langweiligen Handelsvereinbarungen mit den Trockenstädten befaßten. Doch zu einem fand ich die Zeit, nämlich dafür zu sorgen, daß die Treppe repariert wurde, ehe sich noch jemand dort den Hals oder ein Bein brach. Auch das war mühselig: Ich mußte mich tagelang mit Architekten und Bauunternehmern und Steinmetzen auseinandersetzen, die Kadetten husteten von morgens bis abends wegen des Staubs, und die Älteren murrten, weil sie einen Umweg gehen und eine andere Treppe benutzen mußten.
Lange Zeit, bevor ich ihn für genesen hielt, bestand Vater darauf, seinen Sitz im Rat wieder einzunehmen, den ich gern räumte. Viel zu bald darauf kehrte er zu der Wache zurück. Sein Arm war noch in der Schlinge, und er sah schrecklich mitgenommen und bleich aus. Ich vermutete, er teilte meine Unsicherheit, wie es den Kadetten wohl in diesem Jahr ergehen würde, jedoch sagte er nichts darüber. Unaufhörlich nagte der Gedanke an mir. Ich war wegen Vater beunruhigt, machte mir aber auch meine ureigenen Sorgen. Wenn mein Vater frei entschieden hätte, Dyan Ardais zu vertrauen, wäre ich nicht so verwirrt gewesen. Doch ich hatte das Gefühl, daß auch er gezwungen wurde und daß Dyan es genoß,
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