Hasturs Erbe
abgesonderten Tischen aßen. Das Essen war grob und einfach, aber Regis hatte in Nevarsin schlechteres gegessen, und er langte tüchtig zu, wenn auch einige der Kadetten laut über die Speisen murrten.
»Es ist nicht so schlecht«, sagte er leise zu Danilo, und die Augen des Jüngeren funkelten schalkhaft. »Vielleicht wollen sie herausfinden, ob wir wissen, daß sie an etwas Besseres gewöhnt sind. Selbst wenn wir es nicht sind.«
Regis sah Danilos auf dem Rücken geflicktes Hemd an und erinnerte sich, wie verzweifelt arm die Familie des Jungen sein mußte. Doch sie hatte ihm die gute Erziehung in Nevarsin zukommen lassen. »Ich dachte, du würdest Mönch werden, Dani.«
»Das konnte ich nicht«, sagte Dani. »Ich bin nur der einzige Sohn meines Vaters, und es wäre ungesetzlich. Mein Halbbruder wurde vor fünfzehn Jahren getötet, bevor ich geboren wurde.« Als sie die Messe verließen, fügte er hinzu: »Vater hat mir Lesen und Schreiben und Rechnen beigebracht, so daß ich eines Tages das Anwesen verwalten kann. Er wird langsam zu alt, um Syrtis allein zu bewirtschaften. Er wollte nicht, daß ich in der Wache diene, aber als Lord Alton das freundliche Angebot machte, konnte er es nicht ablehnen. Ich hasse es, wenn sie über ihn klatschen«, sagte er heftig. »Er ist nicht so, wie sie sagen! Er ist gut und freundlich und anständig.«
»Ich bin sicher, er würde es überhören«, sagte Regis. »Ich habe ja auch in seinem Haus gewohnt, du weißt es. Und eines seiner Lieblingssprichwörter war: Wenn man zu sehr auf das Bellen der Hunde hört, wird man taub, ohne etwas zu lernen. Sind die Syrtis-Leute in der Alton-Domäne, Danilo?«
»Nein, wir waren immer den Hasturs unterstellt. Mein Vater war bei deinem Vater Falkner und mein Halbbruder sein Waffenbruder.«
Und Regis fiel etwas wieder ein, eine alte Geschichte, die er immer schon gekannt hatte, die Teil seiner Kindheit gewesen war, doch die er nie mit lebenden Menschen in Verbindung gebracht hatte. Er sagte aufgeregt: »Dani! Dein Bruder … hieß er Rafael-Felix Syrtis von Syrtis?«
»Ja, das war sein Name. Er wurde vor meiner Geburt getötet, im gleichen Jahr, als Stefan der Vierte starb …«
»Und mein Vater«, sagte Regis in einem Aufwall unvertrauter Aufregung. »Mein ganzes Leben schon kenne ich diese Geschichte. Dani, dein Bruder war die persönliche Leibwache meines Vaters. Sie wurden im gleichen Augenblick getötet – er starb, als er versuchte, den Körper meines Vaters zu schützen. Wußtest du, daß sie Seite an Seite in einem Grab auf dem Feld von Kilghairlie begraben liegen?«
Er erinnerte sich, sagte aber nicht, was ihm ein alter Diener verraten hatte, nämlich, daß beide in Fetzen zerstückelt und zusammen begraben wurden, wo sie niederfielen, da niemand mehr sagen konnte, welche Teile zu seinem Vater gehörten und welche zu Danis Bruder.
»Ich wußte es nicht«, flüsterte Danilo mit aufgerissenen Augen. Regis, von einem fremdartigen Gefühl erfaßt, sagte: »Es muß schrecklich sein, so zu sterben, aber nicht so schrecklich, wenn dein letzter Gedanke ist, jemand anderen zu schützen …«
Danilos Stimme klang nicht sehr fest. »Sie hießen beide Rafael, und sie hatten sich einander verschworen, und sie kämpften zusammen und starben zusammen und liegen in einem Grab …« Er streckte seine Hand nach Regis aus, als wisse er kaum, was er tat, und umschlang dessen Finger. Er sagte: »Ich möchte so sterben. Du nicht auch?«
Wortlos nickte Regis. Einen Moment erschien es ihm, als habe ihn etwas sehr tief getroffen, ein fast schmerzhaftes Bewußtsein und Gefühl. Es war wie eine körperliche Berührung, wenn auch Danilos Finger nur leicht in seiner Hand ruhten. Plötzlich ließ er, erstaunt durch die Intensität seiner Gefühle, Danilos Hand los, und die Aufwallung von Emotionen verebbte. Einer der Kadettenoffiziere kam auf sie zu und sagte: »Dani, der Waffenmeister hat nach dir geschickt.« Danilo ergriff seine schäbige Ledertunika, zog sie rasch über das Hemd und ging.
Regis dachte daran, daß er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war und streckte sich auf dem kitzelnden Stroh seiner Pritsche aus. Er war zu unruhig, um schlafen zu können, fiel jedoch rasch in einen unangenehmen Schlummer, gestört von den unvertrauten Geräuschen der Wachhalle, dem Metallklicken aus der Zeugkammer, wo jemand einen Schild reparierte, Männerstimmen, die anders als die gedämpften Laute im Kloster waren. Im Halbschlaf begann er eine
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