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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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auf, entschied aber letztendlich, dass es im Interesse aller wäre, die Kirche vor einem Skandal zu bewahren.
    Doch Clemmons war nicht so perfekt und moralisch einwandfrei, wie Carter gedacht hatte. Er bat seinen Bruder, einen früheren Schwerverbrecher, der gerade in die Lehren der Kirche eingeführt wurde, Lindsay zu bewachen, und Alex, über alle Maßen dankbar und treu gegenüber der „Familie“, die ihn mit offenen Armen aufgenommen hatte, erklärte sich einverstanden.
    Monate waren ohne Zwischenfall vergangen. Im Grunde war Lindsay bei Carter beinahe in Vergessenheit geraten. Sie war ein so braves Mädchen und verhielt sich genau nach seinen Plänen. Doch dann kamen ihr Zweifel. Sie wollte ihn sehen. Sie liebte ihn so sehr, dass sie sich nicht vorstellen konnte, nicht bei ihm zu sein oder, was das Schlimmste wäre, ihr gemeinsames Kind in die Obhut einer anderen Frau zu geben. Alex hatte ihn gewarnt, und Clemmons und Carter waren nach Plainville gefahren, um Lindsay zu beruhigen.
    Es wäre Carter auch beinahe gelungen. Doch dann hatte dieser Penner auf dem Bauernmarkt die Aufmerksamkeit aufsie gelenkt. Ihn einen Heuchler genannt. Lindsay aufgefordert, ihm nicht zu geben, was er haben wollte. Als er dem Mann in die Augen sah, hatte Carter einen Augenblick den Eindruck gehabt, als hätte Gott tatsächlich durch den verwitterten alten Trottel zu ihm gesprochen. Auf der Fahrt zurück zur Hütte war er aufgewühlt, und dann hatte Lindsay ihn angefleht, ihr das Kind zu lassen. Er war erschöpft, kurz davor, nachzugeben, und das hatte Shannon offenbar gespürt. Oder vielmehr vorausgesehen. Sie tauchte plötzlich auf, und alles war vorbei.
    Was monatelang so glattgegangen war, lief plötzlich katastrophal schief und endete damit, dass Lindsays Blut den Boden und ihrer aller Hände befleckte.
    Übelkeit riss Carter aus seinen Erinnerungen. Einen Moment lang kämpfte er gegen den Würgereiz. Er konnte sich vorstellen, was Shannon dazu sagen würde. Wie sie fluchen und ihn wegen seiner Schwäche herunterputzen würde.
    Schließlich riss er sich zusammen. Er riss sich immer zusammen, und das verdankte er bestimmt nicht ihr. Und eines Tages würde er sie nicht mehr brauchen. Aber noch war es nicht so weit.
    Wenn der Oberste Reverend Lester Phillips in den Ruhestand ging, würden Carters Gemeinden und sein Einflussbereich sich verhundertfachen. So viele Sünder, die gerettet werden mussten. Darunter so viele junge Mädchen. Solange es ihm passte, konnte er Shannon ficken und im Bett unterwerfen und gleichzeitig seine kleine Mädchen haben.
    Er verzog das Gesicht, als er spürte, dass er hart wurde. Er musste sich beherrschen. Noch eine Weile den Ball flachhalten. Er durfte nicht alles ruinieren, wofür er gearbeitet hatte, indem er wieder einmal seinen Versuchungen erlag. Noch nicht. Nicht wenn er seinem Ziel so nahe war.
    Junge, geschmeidige Körper und taufrische Unschuld waren erregend, doch das ultimative Aphrodisiakum war die Macht.
    Trotz der Gewaltverbrechen, die Alex Hanes in seiner Jugend begangen hatte, hatte er das noch nicht begriffen. Entweder das,oder die Haft hatte sein Gedächtnis gelöscht. Er fuhr tatsächlich auf die Vorstellung ab, ein Glaubenskämpfer zu sein, der die Gesetze der Menschen missachtete, um das Himmelstor zu schützen.
    Carter kannte die Wahrheit.
    Er war ein Kämpfer mit einem Motiv, und zwar mit einem äußerst egoistischen Motiv. Er trat nicht allein aus Glaubenseifer für die Kirche ein, sondern aus Verzweiflung. Genau das machte Alex, wie viele andere auch, so gefügig – sein Verlangen nach Erlösung. Nach dem Versprechen, dass all seine Sünden in der Vergangenheit nicht in die ewigen Feuerqualen der Hölle mündeten.
    Dieses Versprechen gab Carter ihm natürlich gern. Schließlich war er selbst auch ein Sünder. Schwach und voller Makel. Trotzdem würde auch ihm am Ende vergeben. Das alles war wunderschön, wenn man wirklich aufhörte, darüber nachzudenken.
    Trotzdem kamen ihm Bedenken, als er Alex’ Auto sah. Er war dem Mann noch nie allein begegnet. Dafür hatte es nie einen Grund gegeben, und außerdem war Carter nicht so dumm, wie Shannon glaubte. Der Mann war gehorsam, aber auch ziemlich labil. Clemmons hatte ihm das in aller Deutlichkeit gesagt und Carter darauf hingewiesen, dass sie Alex nicht zu sehr bedrängen durften. Sein Beschützerinstinkt gegenüber dem jüngeren Bruder, von dessen Existenz er erst vor Kurzem erfahren hatte, war extrem ausgeprägt. Im Gegenzug

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