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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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verehrte Alex seinen Bruder Clemmons. Doch aufgrund seiner Stellung in der Kirchenhierarchie, aufgrund dessen, wer und was er war, verehrte Alex Carter noch mehr.
    Vor Tagen war er zu Carter gekommen und hatte ihm die im Plainville-Magazin abgedruckten Fotos gezeigt. Auf einem Foto war Lindsay auf dem Bauernmarkt zu sehen, den Carter mit ihr besucht hatte. Seitdem war er nervös. Obwohl er selbst auf keinem der Fotos abgebildet war. Zu sehen war auch nicht, dass Lindsay schwanger war.
    Das war natürlich ein Segen. Er hatte weiter nichts gewollt als die Gewissheit darüber, dass auch keines der anderen Fotosdieser Frau – nach den Worten des Zeitungsartikels hatte sie Hunderte aufgenommen – ihn oder die schwangere Lindsay zeigte. Erst dann konnte er seinen Sieg wirklich und wahrhaftig genießen, wenn der Oberste Reverend ihm den Stab übergab und ihn mit diesem Titel segnete.
    Doch Alex hatte es in den Sand gesetzt. Hatte es nicht geschafft, sämtliche Fotos dieser Frau zu kopieren. Vielleicht war er ja hergekommen, um ihm zu sagen, dass er seine Aufgabe jetzt erfüllt hatte.
    Wunderbar.
    Er parkte sein Fahrzeug rechts hinter Alex’ Wagen. Als er ausstieg, drang der Wind unerbittlich durch seine Kleidung. Die Kälte überrumpelte ihn förmlich. „Alex?“
    Alex antwortete nicht. Gereizt ging er zum Auto. „Ich habe dir gesagt, du sollst mich anrufen, wenn du mit mir reden willst, und dann würden wir einen Treffpunkt ausmachen. Wie kannst du erwarten, dass jemand …“
    Er war zur Fahrertür gegangen und sah Alex durchs offene Fenster.
    Der Mann lebte, aber gerade eben noch. Sein Atem ging langsam und mühselig, seine Lippen waren blau, die Zunge lag verfärbt in seinem offenen Mund. Seine Augen waren kakaobraun wie immer, doch die Pupillen waren kaum sichtbar, waren so klein wie Stecknadelköpfe. Er schwitzte und zuckte, und als Carter vorsichtig durchs offene Fenster spähte, sah er, dass Alex’ Fingernägel ebenfalls blau verfärbt waren. In seinem rechten Arm steckte die Spritze, mit der er sich Heroin in die Adern injizierte.
    Es sah ganz nach einer Überdosis aus.
    Mehrere Minuten beobachtete er Alex’ zuckenden Körper. Die anfängliche Überraschung verwandelte sich in Nachdenklichkeit. Sollte er den Notarzt rufen? Ihn selbst ins Krankenhaus fahren?
    Sei nicht dumm, Carter. Er hat dir selbst gesagt, dass die Polizei eingeschaltet ist. Sei einmal in deinem Leben ein Mann.
    Die vertraute Stimme, so nörgelnd und verächtlich, weckte seinen Zorn.
    Er war nicht dumm! Alex war ein verdammter Idiot. So etwas Wahnsinniges genau neben Carters Kirche zu tun, während er doch gerade keine Aufmerksamkeit auf sie hatte lenken sollen, war einfach unverantwortlich. Doch das war jetzt nicht mehr zu ändern. Jeden Moment mussten die Reinigungskräfte eintreffen, und Carter bezweifelte, dass er sie alle erfolgreich bestechen konnte, damit sie Alex’ Leiche verschwinden ließen und darüber schwiegen. Ohnehin war schon alles schwer wieder in den Griff zu kriegen.
    Vielleicht war es deswegen passiert. Alex wusste etwas. Wusste Dinge, die die Kirche mitsamt Carter und seiner Familie vernichten konnten.
    Carter achtete sorgsam darauf, nichts anzufassen. Ob Alex seine Anwesenheit mitbekommen hatte, war schwer einzuschätzen. Er selbst atmete schwer, und sein Herz raste, doch er zwang sich zum Handeln, ging an seinem Auto vorbei auf das Gebäude zu. Je weiter er sich von Alex entfernte, desto ruhiger wurde er.
    Seine Finger zitterten, aber nur leicht, als er die Hintertür aufschloss und zu seinem Büro eilte. Er fand Matthews Babydecke sofort. Er nahm sie an sich und verließ das Gebäude auf demselben Weg, den er gekommen war. Als er im Wagen saß, den Motor anließ und davonfuhr, sah er sich nicht ein einziges Mal nach Alex’ Auto und dem sterbenden Mann darin um.

21. KAPITEL
    O bwohl Stunden vergingen, lag Natalie immer noch auf ihrem Bett. Die Ausflüge in den Park und in ihre Erinnerungen hatten sie körperlich und seelisch erschöpft. Sie vermutete, dass es inzwischen Abend war, und eines war ja wohl klar. Mac hatte nicht angerufen, sich nicht blicken lassen. Trotz seiner Versprechungen nach dem Kuss hatte er wohl seine Meinung über eine engere Beziehung mit der sexuell frustrierten Blinden geändert. Wer wollte ihm das verübeln? Er war jetzt im Besitz der Fotos, die der eigentliche Schlüssel zu dem Angriff auf sie waren. Warum sollte er Zeit für sie opfern, wenn es nicht nötig war?
    Und seit wann war sie

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