Hauchnah
saß auf dem Fahrersitz und wartete anscheinend. Warum?
Wenn es nach Carter gegangen wäre, hätten Exhäftlinge nicht in die Gemeinde aufgenommen werden dürfen. Aber es ging nicht nach ihm. Noch nicht.
Der Oberste Reverend Lester Phillips, Shannons Vater, hatte das Resozialisierungsprogramm für Haftentlassene schon früh eingerichtet. Er glaubte, dass Wohltätigkeit ein starker Antrieb für die Konvertierung anderer zum Glauben sei, nicht nur die Bereitstellung von Geld für gute Zwecke, sondern vielmehr die Aufnahme der Unterdrückten, der Kriminellen, Ausgestoßenen und schwierigen Jugendlichen, um der Welt zu zeigen, welche Wunder gewirkt werden konnten. Carter war zuerst skeptisch gewesen, doch letztendlich hatte sein Schwiegervater wie in den meisten Fällen recht behalten. Es war Ironie des Schicksals, dass Carter durch einen solchen Dienst Lindsay Monroe hatte begegnen können, wenngleich er damals natürlich nicht ihren richtigen Namen gekannt hatte.
Für ihn war sie Lauren. Die schöne Lauren.
Von allen Mädchen, mit denen er seit seiner Eheschließung zusammen gewesen war, war sie die Einzige, für die er zumindest in seiner Vorstellung Shannon hätte verlassen können. Das wäre natürlich nie geschehen. Er war kein Genie, aber selbst wenn das Mädchen nicht so jung gewesen wäre, war ihm doch immer bewusst gewesen, wie weit Shannon und die Beziehungenihrer Familie ihn bringen konnten. Und wenn er sie in diesen turbulenten Jahren der Unfruchtbarkeit und Depressionen nicht verlassen hatte, würde er es höchstwahrscheinlich niemals tun. Vielleicht war sie nicht die Liebe seines Lebens, weder im Bett noch außerhalb, doch sie war ihm und der Kirche treu, und seine Karriere übertraf alle Erwartungen. Und was noch besser war: Die Ehe mit Shannon brachte ihm all die Vergünstigungen, von denen er früher geträumt hatte.
Geld. Ruhm. Die grenzenlose Liebe seiner Gemeinde. Sie alle blickten zu ihm auf, als wäre er Gott persönlich, und das hatte, mehr als alles andere, berauschende Wirkung. Auf seine Weise war er davon genauso abhängig wie Alex Hanes vormals vom Heroin. Er wollte nie darauf verzichten, nie die Schmerzen des Entzugs erleben, und dazu würde es auch niemals kommen.
Trotzdem fehlte Lauren ihm manchmal, auch wenn er sich bemühte, nicht an sie zu denken. Tat er es doch, erinnerte er sich nur selten daran, wie sie ihn angelächelt oder wie sie sich ihm hingegeben hatte. Stattdessen erinnerte er sich an jenen schrecklichen Tag. An den Tag, als Shannon wie ein Racheengel in die Hütte ihres Vaters in Redding hereinstürmte …
Auf Lindsays Schwangerschaft hatte er anfangs mit Freude reagiert. Endlich würde er ein Kind haben, ein Kind, das Shannon ihm nicht geben konnte, das er sich aber immer gewünscht hatte. Doch fast gleichzeitig wurden ihm die Auswirkungen seines Fehltritts bewusst. Wie alles bisher Erreichte wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen würde, wenn Shannons Vater, die Öffentlichkeit, alle erfuhren, dass er ein sechzehnjähriges Mädchen geschwängert hatte. Er brach zusammen und beichtete es Shannon. Lief weinend zu ihr wie der Schwächling, für den sie ihn hielt. Doch wenn sie anfangs die Nase gerümpft hatte, wurde aus ihrer Missbilligung bald schon Beifall. Lob.
Es wäre ideal, sagte sie. Ihre Chance, Eltern zu werden und ihrem Vater den erforderlichen Erben zu präsentieren, damit er Carter als seinen Nachfolger benennen konnte. Carter brauchte nur seinen nicht unbeträchtlichen Charme zu entfalten, umLindsay von seiner Liebe zu überzeugen und davon, dass sie, wenn sie zuließe, dass er das Kind adoptierte und in der Kirche aufzog, die Möglichkeit hätte zu studieren und die Welt zu sehen. Natürlich würden sie sich weiterhin sehen, sich hinter verschlossenen Türen lieben, und sie konnte ihr Kind jederzeit besuchen.
Das zumindest hatte er ihr eingeredet.
Zu Shannons großer Freude willigte Lindsay ein. Von da an lief alles wie am Schnürchen. Sie hatten Clemmons eine führende Position in der Kirche versprochen, wie er sie sich schon seit Jahren wünschte, wenn er jemanden auftriebe, der Lindsay in einer abgelegenen Anglerhütte in Redding Gesellschaft leistete. Sie sollte nicht gefangen gehalten werden, sondern diskret das Ende der Schwangerschaft abwarten, und wenn das Kind geboren wäre, würde Clemmons es Carter überbringen. Fromm, wie er war, rang Clemmons lange mit seiner Unentschlossenheit. Er brachte eindeutig keine Achtung für Carter oder Shannon
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