Hauchnah
Alex tat, was notwendig war. Was richtig war.
Als er Natalie vom Taxi aus beobachtete, staunte er über ihre Schönheit. Sie war so schön, dass sein Körper auf höchst unheilige Weise reagierte. Es lenkte ihn ab. Weckte das Verlangen nach materiellen Dingen. Weltlichen Vergnügungen. Doch er brauchte nur ihren Stock zu sehen und wie sie ihn fallen ließ, um zu wissen, dass er mehr Engel war als sie. Sie benötigte Führung, und die konnte er ihr geben, so wie der Seelsorger sie ihm gegeben hatte. Aber erst, nachdem er Ihm die Information besorgt hatte, die Er brauchte.
Alex hatte seine Strafe abgesessen. Hatte Opfer gebracht, um Erlösung zu finden. Es erschien ihm folgerichtig, dass es bei Natalie Jones genauso sein musste.
Doch dann war alles ganz anders gelaufen als geplant. Sie hatte mit ihrem Stock nach ihm geschlagen. War geflüchtet. Seine Wut und das Gefühl der Demütigung ließen ihn erschauern. Die Angst war unbeschreiblich. Er hatte versagt. Und welche anderen Folgen konnte das Versagen haben als die ewige Qual im Höllenfeuer? Hatte er seine Chance auf Erlösung vertan? Plötzlich tauchten die Gesichter seiner früheren Opfer – Männer, Frauen und Kinder – vor seinem inneren Auge auf, und ihm wurde schwindlig.
Zu viele Menschen waren in der Nähe, als dass er hätte umkehren und Natalie verfolgen können. Das Risiko wollte er nicht eingehen. Geschnappt zu werden. Er zweifelte an der Macht Gottes, ihn zu schützen, und wusste, dass er deswegen bestraft wurde.
Mit einem leisen Wehlaut steuerte Alex den Wagen an den Straßenrand und hörte nicht einmal das wilde Hupkonzert anderer Autofahrer. Er schloss ganz fest die Augen und presste die Hände an die Schläfen. In seinem Kopf waren jetzt zwei Stimmen. Eine befahl ihm, seine ursprüngliche Aufgabe zu erfüllen, die andere riet ihm, die Zeichen zu erkennen, die ihn zur Änderung seiner Pläne drängten. Und doch kamen beide Stimmen von Ihm.
Und dann war da noch eine dritte Stimme. Seine eigene Stimme. Die Stimme aus seiner Vergangenheit. Die ihm sagte, dass es ein Leichtes wäre, diesem Durcheinander ein Ende zu setzen. Ganz einfach. Damit wäre alles vorbei. Auch ohne Antworten fände er Erlösung. Sicherheit.
Er brauchte nur Natalie Jones zu töten.
16. KAPITEL
N atalie hätte nie geglaubt, dass es etwas Schlimmeres geben könnte als mit einem mordlustigen Irren in einem Auto gefangen zu sein, aber mit Officer Liz Lafayette in ihrem eigenen Haus festzusitzen kam der Sache sehr nahe. Zwar war die Frau ausgesprochen professionell und höflich, sogar freundlich, doch allein ihre Anwesenheit und alles, was sie tat, dienten nur dazu, Natalie an ihre Unzulänglichkeiten zu erinnern. Liz war jung, doch augenscheinlich klug, ehrgeizig und stark. So musste sie sein, um die Polizeischule absolvieren zu können. Sie konnte gehen, wohin, und tun, was immer sie wollte. Und kein Mensch würde auf die Idee kommen, sie zu bemitleiden.
Mit hundertprozentiger Sicherheit war Liz außerdem hübsch. Ihre Haltung verriet die selbstbewusste Frau – nicht arrogant, aber selbstsicher -, und sie trug Ohrringe, die manchmal im Licht aufblitzten. Der Duft von einem Estée-Lauder-Parfum umwehte sie bei jeder Bewegung wie ein angenehmer Hauch. Natalie bewahrte in irgendeiner Schublade noch einen alten Flakon mit diesem Parfum auf, allerdings hatte sie es schon seit Monaten nicht mehr benutzt. Sie hatte es schon lange wegwerfen wollen, war aber nie dazu gekommen.
In diesen Moment hätte sie am liebsten die Schublade aufgeräumt, um die letzten Spuren ihrer Vergangenheit verschwinden zu lassen – oder sich die Bettdecke über den Kopf gezogen -, doch da sie nicht unhöflich oder, schlimmer noch, eingeschüchtert erscheinen wollte, war sie stattdessen herausgekommen und hatte die Frau zu einem gemeinsamen Frühstück eingeladen. Das hatten sie jetzt beendet, und Natalie suchte verzweifelt nach einem Thema, damit die peinliche Stille endlich unterbrochen wurde. Ihr fiel nichts ein. Sämtliche Gedanken kreisten um Mac und seinen Kuss und darum, wie sehr sie sich blamiert hatte, als sie vor seinen Augen durchdrehte. Was auch Jase und diese Frau mitbekommen hatten.
„Also …“ Liz räusperte sich. „Agent McKenzie hat vorhin angerufen. Er zieht später am Tag in einem Hotel in Plainville ein.“
Natalies Puls begann zu rasen. „Ins Hotel?“
„Er arbeitet oft vom Büro der Strafvollzugsbehörde in San Francisco aus. Aber angesichts der gestrigen Vorfälle richtet
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