Hausmaestro - Kriminalroman
trocknete ungerührt weiter ihre Haarsträhnen, was den unverbesserlichen Vogel sogleich zu der Vorstellung der Aussichten im Falle eines schlecht gebundenen Handtuchknotens inspirierte.
»Aber ein solches Verhalten passt eigentlich nicht zu einem hinterhältigen Mörder, mit dem wir es hier ja ohne Zweifel zu tun haben«, wandte Walz ein.
Widerwillig schüttelte Mölzl den Kopf. »Das sehe ich ein wenig anders. Eines der Charakteristika eines schwachen Menschen besteht schließlich darin, dass er, wenn er keinen anderen Ausweg sieht, Amok läuft, gleichsam als Reaktion auf die vielen Demütigungen, die er jahrelang hat hinnehmen müssen.«
»War das so?«
»Magnus hat Michael doch die ganze Zeit als Prellbock benutzt, deshalb hat er damals ja darauf bestanden, dass er sein persönlicher Sekretär bleibt. Mit einem Fremden hätte er niemals so umgehen können.«
»Das klingt allerdings einleuchtend … Ist das auch Ihre Meinung, Frau Watanabe?«
»Ich weiß nicht«, antwortete die Japanerin ausweichend, »sicher war Magnus schwierig, aber Michael hatte es doch ganz gut bei ihm. Er hatte ein großartiges Leben, die vielen Reisen, die tollen Hotels, als Bankbeamter hätte er das alles nicht erlebt.«
Mölzl steckte eine Zigarette in ihr schwarzes Mundstück und zündete sie sich an. »Großartiges Leben nennst du das?«, rief sie aus, während sie verächtlich den Rauch ausstieß. »Von den Reisen hatte er doch gar nichts, er hatte sich doch ständig um Magnus Bequemlichkeit zu kümmern. Er musste mit den Stewardessen streiten, wenn unserem Maestro irgendetwas an Bord nicht gefallen hat, ob es die unbequemen Sitze in der First Class waren oder der zu warme Champagner oder das zu kalte Essen. Ständig hatte er etwas auszusetzen, und Michael hatte das in Ordnung zu bringen. Und in den von dir sogenannten tollen Hotels ging es doch gerade so weiter. Wenn Magnus nicht schlafen konnte, musste Michael mitten in der Nacht dafür sorgen, dass er eine neue Suite bekam. Wenn ihm die Mädchen nicht gefallen haben, die er sich bestellt hatte, musste Michael sich beim Escort-Service beschweren. Nein, großartig war das Leben von Michael wirklich nicht! Und ich persönlich kann es sehr gut verstehen, dass er irgendwann durchgedreht ist.«
»Sind Sie auch dieser Meinung, Frau Watanabe?«, fragte Walz ein weiteres Mal.
Mit zunehmendem Unbehagen war diese den Ausführungen ihrer Freundin gefolgt. »Ja, es stimmt schon, dass er manchmal ungerecht zu Michael war«, sagte sie zögerlich, »aber so drastisch wie Maria habe ich das nie gesehen. Immerhin war er doch ein großer Künstler, und denen muss man eben einiges nachsehen … «
»Darf ich Sie einmal etwas Persönliches fragen? Wir haben jetzt schon mehrmals vernommen, dass Herr Maurer offensichtlich über ein reges Geschlechtsleben verfügte. Hat Sie das nicht gestört?«
Erschrocken schaute Watanabe Walz an. »Das hatte mit uns nichts zu tun«, sagte sie leise.
»Sie müssen wissen, Magnus war sehr triebhaft«, mischte sich jetzt wieder Mölzl ein, die unterdessen den Trocknungsprozess ihrer Haare beendet hatte und das Handtuch zu einem Turban gebunden hatte. »Vor allem vor großen Auftritten war das sein Ventil, das er brauchte. Aber offensichtlich machen das andere Dirigenten genauso. Denn die Veranstalter, bei denen er öfter gastierte, waren darüber gar nicht verwundert und kontaktierten zuvor Michael, um nach Magnus’ genauen Bedürfnissen zu fragen. Das Geld für zwei Huren war auf jeden Fall gut angelegt, denn bei den Konzerten war er tatsächlich viel besser, wenn er zuvor eine ordentliche Nummer geschoben hatte.«
»Gleich mit zweien?«, murmelte Vogel erstaunt.
»Ja, das hatte er am liebsten«, antwortete Mölzl mit einem verächtlichen Schnauben.
»Woher wissen Sie das alles so genau?«, fragte Walz.
»Von Michael natürlich, Magnus hat darüber nie gesprochen, über so viel Diskretion verfügte er wenigstens«.
»Also das heißt, mit Miwako und Ihnen war nichts?«, konnte sich Vogel nicht enthalten zu fragen.
»Das hätte ich mir ja denken können, dass jetzt gleich so eine Frage kommt … «, erboste sich Mölzl, »was denken Sie eigentlich von mir?«
»Muss ich das beantworten?«, fragte Vogel. »Entschuldigen Sie bitte, aber es hätte ja sein können … bei einer solchen Detailkenntnis.«
»Apropos Detailkenntnis«, warf Walz ein, »der Mörder von Herrn Maurer muss aus seinem engsten Freundeskreis stammen. Und wenn es nicht Herr Weber war,
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