Havelgeister (German Edition)
man einen kleinen Eingriff vornehmen, um ihre Lunge wieder ganz herzustellen.« Die Freude im Gesicht des Vaters war unübersehbar. »Und für meine kleine Aktion in Riewend werde ich wohl ein Disziplinarverfahren bekommen.«
»Und dieser Ludwig?«, fragte Bremer.
Manzetti zuckte nur mit den Schultern. »Der wird in Zukunft schwerer hören, aber im Knast sagen sie die Sachen auch zwei Mal, wenn es sein muss. Er wird sehr lange sitzen.«
»Wie ist das nun alles entstanden?«, wollte Kerstin wissen.
»Eigentlich ohne großen Vorsatz«, antwortete Manzetti. »Frieda Boll, die noch immer vermisst wird, lebte ja sehr lange in Jugoslawien. Dorthin kam auch Thomas Böttger mit einem Truppenkontingent der Bundeswehr. Eines Tages erhielt er einen Anruf von seiner Frau, die ihm erzählte, dass Nepomuk ein Spenderherz brauche, wie auch sein Zwillingsbruder Kevin. Böttger, der vor seiner Ehe eine Affäre mit der hoffnungsvollen Malerin Rosi Schuster gehabt hatte, erinnerte sich an die Mutter seiner Ex und suchte sie auf. Spenderorgane waren in Deutschland nämlich auf die Schnelle nicht aufzutreiben. Und Frieda Boll wusste Rat. Sie verwies Böttger, den Vater ihrer Enkelsöhne, an einen UCK-Mitstreiter ihres Mannes, einen gewissen Krasniqi. Und der hat die Organe dann beschafft.«
»Von serbischen Gefangenen«, warf Bremer ein.
»Ja. Damit hatte Iwan Krasniqi Böttger in der Hand und setzte ihn unter Druck.«
»Jetzt kommt Ludwig ins Spiel«, soufflierte wieder Bremer.
»Ludwig kannte Krasniqi schon länger und hatte einige Geschäfte mit ihm gemacht. Sie benutzten Böttger und die Firma seines Vaters als Geldwäschestation. Als Böttger nun vor knapp einem Jahr wieder zu Ludwig kam, weil Nepomuks Körper begann, das Spenderherz abzustoßen, verweigerte Krasniqi neue Hilfe. Er wusste, dass der BND und der Europäische Gerichtshof ihm und Thaci schon dicht auf den Fersen waren, und wollte kein Risiko eingehen. Deshalb bekam Ludwig den Auftrag, Böttger auszuschalten, und zwar so, dass der deutsche Unternehmer hinterher als Einzeltäter dastehen würde.«
»Böttger war wohl das schwächste Glied in der Kette?«, fragte Kerstin, die ein feines Gefühl für Beziehungsgeflechte hatte.
»Ja, und eigentlich mehr ein Opfer als Täter. Es war geplant, ihn zu erschießen, was Krasniqi unbedingt selbst tun wollte, und anschließend sollte Ludwig ein Ermittlungsergebnis vorlegen, das Böttger schwer belastet hätte. Auf Ludwigs Computer war schon alles vorbereitet. Demnach hätte es so ausgesehen, dass die Familie der beiden serbischen Soldaten, die man getötet hatte, um an ihre Organe zu kommen, nach Deutschland gereist sei, um sich die Herzen zurückzuholen, die angeblich Böttger allein besorgt habe. Steine mit den Initialen S.B. sowie T.B. sollten die Spur weisen. Weil Böttger zu diesem Zeitpunkt schon tot gewesen wäre, hätte er sich nicht mehr verteidigen können, und wer misstraut schon einem LKA.«
»Und warum hat das nicht geklappt?«
»Weil ihm Frau von Alvensleben in die Quere kam. Die BND-Agentin war für ihren Job im Geheimdienst wohl etwas zu ehrgeizig. Sie konnte es nicht ertragen, dass diese Leute ungeschoren davonkommen sollten. Deshalb hat sie ihre Befugnisse ein wenig erweitert und der Bibliothek der Uni Leipzig die Weisung erteilt, den Codex Sinaiticus als gestohlen zu melden. Die haben das auch getan, weil sie glaubten, die Weisung käme von höchster Regierungsstelle. Das brachte so viel Dynamik in den Fall, dass Ludwig seine Felle davonschwimmen sah. Bremers Obduktionsbericht hätte zu viele Fragen bei der Presse ausgelöst, und Böttger war noch nicht tot. Also musste er den Bericht manipulieren, um Zeit zu gewinnen.«
»Aber ihr musste doch klar sein, dass sie die Kontrolle verlieren würde.«
»Auch dafür hatte sie vorgesorgt. Mit Sebastian. Der gehört auch zu ihren Leuten und war vorher ein in der Szene anerkannter Hacker. Der BND hat ihm Straffreiheit für seine Computermanipulationen zugesichert, wenn er sich in seine Dienste begibt. Durch Sebastian war sie ständig gut darüber informiert, was Ludwig trieb, und später auch über unser Handeln.«
»So weit so gut«, hakte Kerstin nach. »Aber was hat die Alvensleben denn nun mit der Falschmeldung bezweckt?«
»Sie wollte den Diebstahl Böttger in die Schuhe schieben, weshalb sie sich auch bei ihm einschleusen ließ. Wegmann war dabei ihr Werkzeug, ohne dass der etwas davon mitbekam. Sie wollte ihm das gefälschte Deckblatt des Neuen
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