Havelgeister (German Edition)
Testaments zuschmuggeln, es sollte die Medien anlocken, die sie mit Informationen gefüttert hätte, so dass man bald auf die Machenschaften von Ludwig, Böttger und Krasniqi gekommen wäre. Hätte auch fast geklappt, wie uns Fatmire erzählt hat, die sie eigens für diesen Job angeworben hatte. Aber eben nur fast, denn ihr kam wiederum Ludwig mit seinem Mord an Nepomuk in die Quere.«
»Dann haben die beiden Seiten sich sozusagen neutralisiert?«
»Ja. Letztlich wusste keiner so genau von den Aktionen des anderen, obwohl sie sich gegenseitig und auch uns permanent abgehört haben. Deshalb auch die Sache mit dem Handy auf der Jahrtausendbrücke. Das waren auch BND-Leute.«
»Und die Quitten?«, fragte Signora Manzetti, die offenbar die Familie Fantozzi noch nicht ganz abgehakt hatte.
»Das war Frieda Boll. Böttger hatte sich ihr in seiner Not wieder anvertraut, nachdem Krasniqi ihm nicht erneut Spenderherzen besorgen wollte. Diese Absage muss ihm klargemacht haben, dass er aus dem Clan herausgefallen war. Frieda Boll war also voll im Bilde über die bedrohliche Situation und wusste sich keinen anderen Rat, als das zu tun, was ihr ihre kosovarische Haushälterin empfohlen hatte. Sie steckte den Jungs Quittensamen in die Hosentasche, um die bösen Geister abzuhalten. Als die beiden von ihrem letzten Graffitiakt aber nicht wie sonst zurückkehrten, suchte sie die Jungs mitten in der Nacht und auch in den folgenden Nächten in der ganzen Stadt. Sie hat Nepomuk an der Wand gefunden, kurz nachdem Ludwig ihn dort abgelegt hatte. Da hat sie ihm Quittenkerne auch in den Mund gestreut, um den Geist von Nepomuk auf der Erde zu halten, damit er mit Ludwig sein Unwesen treiben kann.«
»Es war also Nepomuk, der dir geholfen hat, mit dem Schurken fertigzuwerden«, erklärte Signora Manzetti, worauf ihr Sohn die Augen verdrehte.
Bremer versuchte, die Situation zu retten und erhob schnell sein Glas. »Manches ist eben doch wie Goethe es formuliert hat. Wir verstehen längst nicht alles, was wir erfahren. Prost.«
Als auch Manzetti zu seinem Glas griff, nahm er in seinem Augenwinkel eine winzige Bewegung wahr. Er richtete sich auf und sah zu dem Bretterzaun, der das Grundstück von dem seines Nachbarn Paul trennte.
»Guckt mal, wer da kommt«, rief er voller Begeisterung aus.
In Laras blasses Gesicht schoss sofort Farbe. »Julius Cäsar.«
Der Kater zwängte sich gerade durch den Zaun und setzte sich anschließend auf seinen Hintern. Nach ihm kamen noch weitere Gäste. Vier winzig kleine Kätzchen krochen durch den Zaun und versammelten sich um Julius Cäsar.
»Das sind übrigens eure, mein Junge«, erklärte Paul und prostete den Manzettis zu. »Bei Katzen bleiben die Jungen auch ohne Gerichtsbeschluss bei der Mutter.«
»Aber …«
»Nichts aber. Dein Julius ist wohl eher eine Juliane und mein Anton ist der Vater. Herzlichen Glückwunsch. Übrigens, da fällt mir eine Geschichte ein. Wir waren mal mit einem richtigen Seelenverkäufer …«
Weiter kam Nachbar Paul nicht. Bremer und Manzetti reagierten wie in Notwehr, sprangen von ihren Stühlen hoch und stülpten die Holzkiepe über Pauls Haupt.
»Wir sind ein Landvolk, Paul«, sagte Manzetti. »Da ist kein Platz mehr für Seemannsgarn.«
ENDE
Der A utor
Jean Wiersch, Jahrgang 1963, lebt mit seiner Frau im Zentrum der Mark Brandenburg, in der Stadt, die dem Land den Namen gab, in Brandenburg an der Havel. Dort spielen auch seine Kriminalromane "Havelwasser", "Havelsymphonie" und "Haveljagd". Nach dem Studium an der Offiziershochschule der Marine war er einige Jahre als Seeoffizier tätig und trat 1994 in die Polizei des Landes Brandenburg ein. Er war Leiter einer Polizeiwache im Havelland, bevor er Anfang 2009 in das Brandenburger Innenministerium wechselte . Er liebt die Berge, hört gerne klassische Musik, ist sportbegeistert und für multikulturelle Strukturen zu begeistern. Der Autor ist Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.
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© Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2013
Tel.: 0561 / 766 449 0, Fax: 0561 / 766 449 29
Lektorat: Anette Kleszcz-Wagner
Korrektorat: Christiane Helms
Titelfoto: Lars Benscheidt, Wetter (Ruhr)
ISBN: 978-3-95475-019-1
Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich.
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