Haveljagd (German Edition)
gemeinsames Zimmer.«
»Davon hat er mir gar nichts erzählt. Wie sagten Sie, war Ihr Name?«
»Michaelis ... Werner Michaelis.« Seine Hand glitt in die Hosentasche und förderte ein silbernes Etui hervor, aus dem er eine Visitenkarte zog. »Falls Sie Hilfe brauchen.«
Sie nahm die Karte und schaute sie lange an, obwohl ihr wahrscheinlich die kleine Schrift wegen der vielen Tränen vor den Augen verschwamm.
Er dagegen betrachtete ihre Fingernägel, die kurz und unlackiert waren.
»Deshalb sind Sie also hier. Von wegen Schulfreund.« Ihre Augen streiften ihn kurz, dann ließ sie die Karte zu Boden fallen und blickte wieder auf den See.
Michaelis bückte sich. »Es ist nicht so, wie Sie es annehmen.«
»Nein? Wie ist es dann?«
»Ich bin nicht mehr als Journalist tätig, auch wenn es hier noch draufsteht. Ich hatte nur noch keine Zeit, neue anfertigen zu lassen. Aber die Handynummer stimmt wenigstens noch.« Er hielt ihr die Karte wieder hin. »Ich bin mittlerweile pensioniert und war wirklich mit Ihren Eltern befreundet. Wir haben uns aber leider nach der Schule für einige Zeit aus den Augen verloren und erst vor ein paar Jahren wieder getroffen. Zufällig.«
Sie zeigte keine Regung. Stumm und teilnahmslos starrten ihre Augen auf den kleinen See, auf dem es eigentlich nichts zu sehen gab. Nicht mal eine Ente.
»Und was wollen Sie dann hier?«
»Ich wollte mich mit Ihrem Vater treffen und habe die beiden gefunden.«
Jetzt drehte sie sich ganz langsam um. Sie deutete mit der ausgestreckten rechten Hand auf einen der Lehnstühle und setzte sich ihm seufzend gegenüber. »Das klärt noch nicht, was Sie hier wollten?«
»Ich sagte es doch schon. Ihr Vater hat mich gestern angerufen, oder besser, er hat es versucht und quasi darum gebeten, dass wir reden.«
Sie schaute ihn ungläubig an. »Und worüber?«
»Das weiß ich nicht. Er hat mich nicht persönlich erreicht und mir ausrichten lassen, dass es wichtig sei und als ich zurückrief, landete ich sofort auf seiner Mailbox.« Bei der Gelegenheit fiel ihm auf, dass er noch nicht mal seine Nachrichten abgehört hatte. Das musste er schleunigst nachholen. Vielleicht waren ja auch welche von Kurt darunter.
Sie erhob sich und steuerte die Blockhaustür an. »Jetzt brauche ich einen starken Kaffee und einen Schnaps. Wollen Sie auch einen?«
Er nickte und sah ihr nach, als sie im Blockhaus verschwand. Dann zog er wieder sein Handy hervor und drückte sich bis ins Archiv. Unter Eingang waren nur die fünf verpassten Anrufe registriert, aber keine Eingänge. Kurt hatte also keine Nachricht hinterlassen.
4
Manzetti hatte am nächsten Tag alle Mitglieder seines Teams zusammengetrommelt, und bis auf die hochschwangere Carmen Behrend und Wolfgang Kaiser, der sich im Urlaub auf St. Lucia befand, waren auch alle gekommen.
Die Einweisung in den neuen Fall lief ziemlich schnell und routinegemäß über die Bühne. Anschließend gab es Einzelaufträge, deren zentrales Ziel erst einmal in der Offenlegung der Lebensläufe von Kurt und Eva Becher bestand. Sonja bekam dafür den Hut auf.
»Herr Manzetti?« Hasi, die eigentlich Hannah-Sieglinde hieß, steckte den Kopf durch die Tür und sah dabei ziemlich hilflos aus. Sie arbeitete erst wenige Monate als Sekretärin in der Direktion, und das auch nur, weil sie die Freundin von Frau Claasen, der Gattin des Chefs, war.
»Da ist eine von der Zeitung gekommen. Was soll ich der denn sagen?«
»Von welcher Zeitung ist sie denn?«, fragte er, ohne von den Akten aufzusehen.
»Vielleicht vom Brandenburger Wochenblatt oder der MAZ?« Hasi hob die Schultern bis zu den Ohren, als ihr klar wurde, dass sie vergessen hatte nachzufragen.
»Sie wissen es also nicht.«
Hasi trat jetzt ganz in sein Büro und verschloss hinter sich die Tür. Es sollte wohl nicht gleich jeder hören, dass sie sich wieder mal etwas ungeschickt angestellt hatte. Sie knetete die Hände vor dem Bauch, bis sie knackten. Wenigstens das konnte sie ganz gut, ging es Manzetti durch den Kopf.
»Sie hat es mir doch nicht gesagt, Herr Manzetti«, stammelte Hasi und klapperte mit den Augen.
»Und woher wissen Sie dann, dass sie von einer Zeitung kommt?«
»Das hat sie mir gesagt«, strahlte Hasi jetzt und sammelte den unerwarteten Pluspunkt ein.
Er schob mit beiden Händen die Akten zur Seite und setzte sich bequemer hin. »Dann schicken Sie die Dame mal rein.«
Während sie die Tür öffnete, schaute sie noch einmal zurück. »Haben Sie noch etwas für mich? …
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