Haveljagd (German Edition)
entdeckt hatte, was auf eine Gewalteinwirkung durch Dritte schließen ließ. Dann passierte, womit er nach dem Angriff des Märkischen Kuriers auf Polizei und Staatsanwaltschaft rechnen musste.
Er bezog eine ordentliche Tracht Prügel.
Claasen hatte die heutige Ausgabe des Kuriers vor seine Füße geworfen, wobei die Überschrift von Inka Schneiders Artikel – Sind Polizei und Staatsanwaltschaft überlastet? – deutlich ins Auge sprang. Und dann war der Direktor in seiner Rage sogar so weit gegangen, ihm verfassungsfeindliches Verhalten vorzuwerfen, was in die Aussage mündete, dass Manzetti allein die Schuld daran trüge, sollte Oberstaatsanwalt Dr. von Woltersbrück bei der Landtagswahl im September als Direktkandidat seiner Partei durchfallen.
Es war Wahnsinn. Aber Claasen hatte wie immer nichts davon gehalten, seine Sicht der Dinge gegen die seiner Mitarbeiter einzutauschen oder sie wenigstens anzuhören. So war Manzetti nichts anderes übrig geblieben, als die Tür zu knallen und laut fluchend aus der Direktion zu stürmen.
Jetzt saß er ziemlich benommen in einem Straßencafé in der Hauptstraße, kratzte kleine Stücke vom Etikett der Wasserflasche und drehte anschließend die Papierfetzen zu winzigen Kügelchen.
»Nervös?«
Das eine Wort genügte, um die Stimme einer vertrauten Person zuzuordnen, zumal die vom starken Geruch nach Vanilletabak umgeben war.
»Wieso?«, fragte er zurück.
»Wenn ich mir den Haufen vor dir betrachte, dann lässt das nicht auf einen ausgeglichenen Seelenzustand schließen.«
Manzetti sah neben seine Tasse, nickte und fegte dann das gute Dutzend Papierkügelchen mit einer einzigen Handbewegung vom Tisch, was sofort das Interesse eines Spatzenschwarms weckte.
»Welche Laus ist dir denn nun über die Leber gelaufen?«, fragte Michaelis und setzte sich. Mit erhobenem Zeigefinger winkte er dem Kellner, der sofort mit verstehender Geste antwortete. »Willst du auch einen? Geht auf meine Rechnung.«
Ohne die Antwort abzuwarten, pfiff Michaelis kurz in Richtung des Kellners und reckte zwei Finger in die Höhe.
»Du siehst nicht gut aus, Andrea. Ist es Claasen oder Inka?«
Manzetti zuckte die Schultern. »Gib mir auch einen«, bat er und deutete mit dem Kinn auf die rechte Hand seines Freundes, wo der übliche Zigarillo qualmte.
»Es sind beide«, antwortete er schließlich und angelte sich einen der schlanken Glimmstängel aus der Pappschachtel.
»Es geht um Inkas Artikel über den Tod der Bechers, oder irre ich mich?«, fragte Michaelis und sah zu, wie Manzetti dem Kellner das Rotweinglas abnahm.
»Claasen glaubt, dass ich mich mal wieder über den Personalmangel in meiner Abteilung beschwert und der Artikel deshalb diesen Tenor habe.«
»Und? Hast du?«
»Natürlich nicht«, antwortete Manzetti. »Wie kommt die Schneider eigentlich dazu, so einen Blödsinn zu schreiben?«
»Das liegt doch auf der Hand«, sagte Michaelis ziemlich schnell. »Seit eurem Stellenabbau wird diese Thematik immer wieder zu wilden Attacken genutzt.«
»Aber warum reitet Inka Schneider ausgerechnet jetzt darauf herum? Wenn es ihr wirklich um den Selbstmord geht, kann sie doch warten, bis es etwas Konkretes zum Fall zu sagen gibt, und muss sich nicht an einer überholten Debatte beteiligen.«
Michaelis setzte das Glas an die Lippen und schien erst einmal den tiefroten Barolo genießen zu wollen, bevor er eine Antwort gab. Dann blickte er dem Hintern einer jungen Frau nach. »Ich befürchte, dass sie das auch gar nicht tut. Inka geht es schon um den Fall vom Bohnenländer See, aber sie wartet noch ein bisschen ab und setzt euch nebenbei ein wenig unter Druck.«
Und wie das aussehen konnte, hatte Manzetti schon zur Genüge kennengelernt. Allerdings fragte er sich gerade, was Werner damit wohl zu tun hatte. »Und woher weißt du das nun schon wieder?«
»Sie hat mich am Sonntag noch sehr spät angerufen und wollte wissen, wer in der Lage ist, den Druck der Montagsausgabe aufzuhalten.«
»Wieso? Doch nicht etwa wegen ihres Artikels?«
»Wieso hat sie nicht gesagt, aber weswegen sollte sie sonst den Druck anhalten wollen? Sie behauptete, dass sie die Jahrhundertstory hat und ansonsten zur Konkurrenz läuft.«
»Und da hast du mal einfach so den Druck gestoppt.«
Michaelis musste lächeln. »Nein, habe ich nicht, denn ich bin ja mittlerweile Rentner und habe keinen Einfluss mehr auf die Abläufe im Verlag. Außerdem sind die Zeitungen übervoll von sogenannten Jahrhundertstorys.«
Manzetti
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