Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Roberts Auftauchen auf Havenhurst bis zu ihrem Auftritt vor dem House of Lords zugetragen hatte.
Nachdem sie ihren Bericht beendet hatte, war sie vom Reden und vom Lieben so ermüdet gewesen, daß sie eingeschlafen war, bevor Ian ihr sein eigenes Vorgehen hatte erklären können. Das wollte er jetzt anscheinend nachholen, und Elizabeth wußte nicht, ob das nicht das Wunder ihrer Versöhnung wieder zerstören würde.
„Wir haben einander unrecht getan“, sagte Ian leise, als er ihr inneres Widerstehen erkannte. „Falls wir davor die Augen verschließen und so tun, als wäre nichts geschehen, wird es uns immer verfolgen. Es wird uns bei den seltsamsten Gelegenheiten, aus den seltsamsten Gründen einfallen und sich zwischen uns stellen. Irgend etwas Dummes, das ich sage, wird die alten Wunden aufreißen, ohne daß es mir bewußt wird, weshalb du böse, gekränkt oder argwöhnisch bist. Dir wird es ebenso ergehen. Letzte Nacht hast du mir die Geschichte aus deiner Sicht erzählt. Ich glaube, du hast das Recht auf einige Erklärungen meinerseits.“
„Wie kommt es, daß du mit einmal so weise bist?“ fragte sie lächelnd.
„Wäre ich schon früher so weise gewesen, hätte diese Trennung schon vor Monaten ein Ende gefunden. So aber hatte ich ein paar Wochen Zeit, mir unter Schmerzen zu überlegen, wie wir nach diesem Debakel weiterleben könnten — vorausgesetzt, du ließest dich von mir wieder auffinden. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß das nur möglich ist, wenn wir offen und ehrlich darüber reden.“
Elizabeth war unentschlossen. Sie dachte an Ians mörderische Wut damals in seinem Arbeitszimmer nach dem Freispruch. Falls er nun darüber redete und wieder wütend wurde, würde sie lieber darauf verzichten.
Ian ergriff Elizabeth bei der Hand und zog sie neben sich auf das Sofa. Er beobachtete, wie sie umständlich ihre Röcke um sich herum Falte für Falte ordnete und dann angespannt auf die schneeverwehte Fensterscheibe blickte. Elizabeth war ganz offenkundig nervös.
„Gib mir deine Hand, Liebling“, bat er. „Du kannst mich alles fragen, was du willst, ohne Angst vor mir haben zu müssen.“
Seine tiefe, beruhigende Stimme und seine warme Hand, die sich um ihre legte, trugen viel dazu bei, daß sich Elizabeths Befürchtungen auflösten. Sie blickte ihm in die Augen. „Weshalb hast du mir nicht gesagt, daß Robert dich zu töten versucht hatte und daß du ihn auf dein Schiff hast bringen lassen? Weshalb hast du mich in dem Glauben gelassen, er sei einfach verschwunden?“
Für einen Moment schloß Ian die Augen und lehnte den Kopf gegen die Rückenpolster. Elizabeth erkannte das Bedauern in seinem Blick, als er sie wieder anschaute.
„Bis zu dem Tag im vergangenen Frühling, an dem du dieses Haus hier verlassen und Duncan mir meine Untaten gegen dich vorwarf, glaubte ich, dein Bruder sei nach England zurückgekehrt, nachdem er von der ,Arianna‘ geflohen war. Ich wußte nicht, daß du allein auf Havenhurst lebtest, daß du meinetwegen eine gesellschaftliche Geächtete geworden warst, daß du keine Eltern hattest, die dich beschützen konnten, und auch nicht, daß du kein Geld hattest. Das mußt du mir glauben.“
„Ich glaube es“, versicherte sie aufrichtig „Nachdem Lucinda Duncan das alles erzählt hatte, bist du schließlich nach London gekommen, um mich aufzusuchen. Über alles haben wir vor unserer Hochzeit gesprochen, nur nicht über Robert. Warum hast du mir nichts von ihm gesagt?“
„Wann hätte ich es dir denn sagen sollen? Erinnere dich, was du von mir dachtest, als ich nach London geeilt kam und dir den Heiratsantrag machte. Du warst doch halb davon überzeugt, daß ich das aus Mitleid und als eine Art Wiedergutmachung tat. Hätte ich dir von meinem Anteil an Roberts Verschwinden berichtet, wärst du endgültig davon überzeugt gewesen. Im übrigen hast du mich damals weder besonders gemocht noch mir vertraut“, fügte er hinzu. „Hätte ich dir die Entführung deines Bruders gestanden, würdest du mir mein Angebot ins Gesicht geschleudert haben, gleichgültig wie gut meine Gründe gewesen sein mochten.“
Ian ließ Elizabeth nicht zu einer Entgegnung kommen, sondern sprach gleich weiter. „Es gab noch einen Grund, weshalb ich dir nichts von Robert gesagt habe“, gab er aufrichtig zu. „Ich wollte dich heiraten und hätte so ziemlich alles getan, um das zu erreichen.“
Sie beschenkte ihn mit einem für sie so typischen entwaffnenden Lächeln, bei dem er
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