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Havoc

Havoc

Titel: Havoc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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sich in die Hosentaschen. Er hatte keine Ahnung, wann er zurückkehren würde. Vielleicht nie.
    Ein Scharren auf dem Dachboden ließ ihn plötzlich zusammenzucken. Es hörte sich an, als würden unzählige winzige Krabben über die Holzplanken wuseln. Seth hob den Kopf und lauschte. Eine eisige Hand umklammerte sein Herz.
    Ich kenne dieses Geräusch .
    Er durfte keine Zeit verlieren. Draußen zuckten Blitze über den Himmel, auf die ohrenbetäubender Donner folgte. Das Gewitter kam näher. Seth schlüpfte eilig in eine Regenjacke und warf sich den Rucksack über die Schultern. Als er gerade hinausstürzen wollte, wurde die Tür von der anderen Seite aufgestoßen.
    »Hast du schon mal so ein Gewitter erlebt?«, rief seine Mutter fröhlich. »Es kommt einem vor, als würde jeden Moment die Welt unte r …« Sie hielt mitten im Satz inne und betrachtete Seth, der mit Regenjacke und Rucksack vor ihr stand. »Du willst doch nicht etwa bei diesem Wetter vor die Tür gehen?« Ein erstaunter Ausdruck huschte über ihr rundes Gesicht. Sie trug einen bequemen Jogginganzug. Ihre blonden Haare, die zu einer praktischen Kurzhaarfrisur geschnitten waren, schienen von Tag zu Tag grauer und farbloser zu werden.
    Genauso werde ich sie in Erinnerung behalten , dachte Seth traurig. Mit diesem verwirrten Gesichtsausdruck. Sie hat noch nie etwas verstanden.
    »Ich muss los«, sagte er ungeduldig.
    »Aber wo willst du denn hin?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung. Weg.«
    Sie starrte ihn verständnislos an. Er hätte sich eine Ausrede einfallen lassen können, irgendetwas, nur damit sie ihn vorbeiließ und er endlich aus dem Haus kam. Aber Seth schätzte Ehrlichkeit über alles. Er war kein Lügner.
    »Ich hab keine Zeit, Mum«, drängte er, als sie sich ihm in den Weg stellte. »Lass mich bitte vorbei.«
    Tränen glitzerten in ihren Augen und sofort bereute er seinen gereizten Tonfall. Er war so oft genervt von seinen Eltern, deren Leben ihm so unendlich langweilig und vorhersehbar erschien, dass er darüber vergaß, dass auch sie Gefühle hatten.
    »Nein, du gehst nicht«, sagte seine Mutter leise. Und dann wiederholte sie noch einmal etwas lauter und bestimmter: »Nein, du gehst nicht! Nicht nach dem, was letztes Mal passiert ist. Ich lasse nicht zu, dass du noch einmal verschwindest!«
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu und versuchte unbeholfen, ihm den Rucksack vom Rücken zu zerren.
    »Lass mich los, Mum!«
    »Du wirst nicht noch einmal verschwinden! Das lasse ich nicht zu!«
    »Mum, ic h …«
    Er wollte sie nur aus dem Weg schieben, stieß sie aber im Eifer des Gefechts mit solcher Wucht von sich, dass sie rückwärts gegen den Kleiderschrank taumelte, sich den Ellbogen anschlug und in Tränen ausbrach.
    »Warum tust du uns das immer wieder an?«, schluchzte sie.
    Seth hasste sich dafür, ihr solchen Kummer zu bereiten. Seine Eltern hatten einen Sohn verdient, auf den sie stolz sein konnten, nicht einen, der es kaum ertrug, mit ihnen im selben Raum zu sein. Sie konnten schließlich nichts dafür, dass sie so waren, wie sie nun mal waren. Er streckte die Hand nach seiner Mutter aus, ließ sie aber gleich wieder sinken. Wie sollte er ihr begreiflich machen, dass er es auch für sie tat? Dass die, die es auf ihn abgesehen hatte n – wer auch immer sie ware n –, ihnen allen den Tod bringen konnten? Wie sollte er ihr etwas erklären, was er selbst kaum verstand? »Es tut mir wirklich leid, Mum«, sagte er traurig. »Aber ich habe keine andere Wahl.«
    Er rannte aus dem Zimmer, die Treppe hinunter. Seine Mutter stürzte ihm hinterher. »Mike! Mike!«, rief sie mit durchdringender Stimme nach seinem Vater. »Seth will wieder weglaufen. Du musst ihn aufhalten!«
    Seth hatte gerade die Haustür aufgerissen und schon einen Fuß nach draußen gesetzt, als eine starke Hand ihn am Unterarm packte.
    »Hiergeblieben, Junge!«, sagte sein Vater streng. Seth spürte eine unglaubliche Wut in sich aufsteigen und riss sich mit einem Ruck los. Warum interessierte sich sein Vater immer nur dann für ihn, wenn er um seine Autorität fürchtete?
    Vater und Sohn standen sich in der Tür gegenüber und funkelten sich zornig an. Seths Mutter war auf der Treppe stehen geblieben, presste eine Hand vor den Mund und beobachtete die beiden mit angstvoll geweiteten Augen. Seth hatte vielleicht noch nicht die Kraft, es tatsächlich mit seinem Vater aufzunehmen, aber er würde sich nicht kampflos geschlagen geben.
    »Ich muss gehen«, sagte er mit fester Stimme.

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