Hawkings Kosmos einfach erklaert
Allgemeinen Relativitätstheorie mit einer ominösen Urknall-Singularität (links). Das haben Stephen Hawking und Roger Penrose zwischen 1965 und 1970 bewiesen. 1983 gelang es Hawking mit James Hartle, diese Singularität in einem quantenkosmologischen Modell mit der âKeine-Grenzen-Bedingungâ zu ersetzen (rechts). Als Beginn hat es ein Instanton mit imaginärer Zeit, das die unphysikalische âSpitzeâ der Singularität gleichsam âabrundetâ. Auch wenn einige Details dieses Modells heute nicht mehr realistisch erscheinen, hat es doch gezeigt, dass eine Erklärung des Urknalls prinzipiell möglich ist. Das war eine groÃe Pionierleistung.
Kosmologen veranschaulichen die Raumzeit des expandierenden Universums gerne mit einer Art Trichter, dessen Erweiterung nach oben die Ausdehnung des Alls symbolisiert ( siehe Grafik Zwei Welten ). Unten, an der engsten Stelle ist er abgeschnitten. Diese Kante, der Rand, versinnbildlicht die Singularität. Oder man denkt sich den Trichter auf einen Punkt spitz zulaufend, dann steht dieser für die Singularität. Hawkings Keine-Grenze-Hypothese besagt aber, dass das Universum keinen Rand beziehungsweise Grenze oder Singularität hat. Stattdessen wird der harte Rand oder die dornige Punktspitze abgerundet, das heiÃt wie bei einem Federball durch eine Halbkugel ersetzt. Und genau dazu ist die imaginäre Zeit erforderlich. Denn diese Halbkugel, im physikalischen Jargon gesprochen ein sogenanntes Instanton, hat vier Raumdimensionen.
Das Instanton besitzt keinen Rand, keine Grenze in Raum und Zeit. Deshalb ist es sinnlos zu fragen, was dahinter kommt. Genauso unsinnig wie die Frage, was südlich des Südpols liegt. âDer Südpol ist ganz ähnlich wie jeder andere Punkt auf der Erdoberflächeâ, erläutert Hawking. âZumindest wurde mir das gesagt. Ich habe zwar schon die Antarktis besucht, nicht aber den Südpol selbst.â Und so, wie die Naturgesetze am Südpol in Kraft sind, sollte das auch beim Urknall der Fall gewesen sein.
âDas würde den alten Einwand beseitigen, dass die Naturgesetze am Anfang des Universums keine Gültigkeit hatten. Stattdessen wäre auch dieser Anfang den Naturgesetzen unterworfen. Die Idee, die Jim Hartle und ich entwickelt haben, beschreibt die spontane Quantenentstehung des Universums ähnlich wie die Bildung von Gasblasen in einem Kochtopf mit Wasserâ, versuchte es Hawking in seinem Buch Das Universum in der Nussschale anschaulich zu machen (ähnlich auch in Hawkings jüngstem Werk Der GroÃe Entwurf ). âDie Keine-Rand-Bedingung schränkt die möglichen Geschichten des Universums exakt auf diejenigen Raumzeiten ein, die keinen Rand in der imaginären Zeit haben. Mit anderen Worten: Die Randbedingung des Universums ist, dass es keinen Rand hat.â
Und James Hartle drückt das so aus: âWenn man die Zeitrichtungen mithilfe imaginärer Zahlen misst, erhält man eine vollkommene Symmetrie zwischen Zeit und Raum, eine mathematisch sehr schöne und natürliche Idee. Diese mathematische Einfachheit der imaginären Zeit liegt dem Keine-Grenzen-Ansatz zugrunde â einer Hypothese mit der einfachsten aller möglichen Anfangsbedingungen des Universums.â
Die (real) zeitlosen Instanton-Modelle vermeiden jedenfalls die leidige Frage, was vor dem Urknall war. âZeit ist definiert durch das Intervall zwischen Ereignissenâ, lässt Hawking seine Computerstimme verkünden.âEs gibt keinen externen MaÃstab der Zeit, bei dem das Universum plötzlich mit dem Urknall begann. Daher hat die Frage, was eine Minute vor dem Urknall geschah, keinen Sinn. Die Zeit war nicht definiert.â
⺠Die Bedeutung des Menschen
Dass Hawking die schwierige Frage nach der Natur der Zeit aufwirft, ist schon Herausforderung genug (mehr dazu im folgenden Kapitel). Und dass es vor dem Urknall wirklich keine Zeit gegeben hat, wird inzwischen kontrovers diskutiert. Hinzu kommen aber auch noch viele diffizile Fragen nach kosmischen Wahrscheinlichkeiten, Wirklichkeiten und unserem Durchblick.
Der Viele-Historien-Interpretation der Quantenphysik zufolge herrscht geradezu eine Ãberfülle von Möglichkeiten für das Universum. âWas hebt dann aber das besondere Universum, in dem wir leben, aus der Menge aller möglichen Universen hervor?â, fragt Hawking und überlegt: âSicherlich der Umstand, dass viele
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