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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Vaas
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größer als unser Universum
    Eine Erklärung der Zeitrichtung scheint also auf den Anfang unseres Universums zu verweisen. Der Urknall allerdings liegt in finsterer Vergangenheit – und dies ist nicht nur metaphorisch zu verstehen. Es wurde Licht – aber erst 380.000 Jahre nach dem Urknall, als sich das All so weit abgekühlt hatte, dass die heute noch messbare Kosmische Hintergrundstrahlung freigesetzt wurde. Da sie – abgesehen von winzigen Temperaturschwankungen in der Größenordnung von einem Hunderttausendstel Grad – homogen ist, muss die Materie damals außerordentlich gleichförmig verteilt und mit der Strahlung im thermischen Gleichgewicht gewesen sein. Das mutet auf den ersten Blick paradox an, wird ein solches Gleichgewicht doch oft für das Maximum der Entropie gehalten – wie beim Wärmetod des Universums, den sich Physiker im 19. Jahrhundert als das öde Ende des Weltalls ausgemalt hatten, bei dem nur noch Wärme übrig sei, sonst nichts.
    Wachsende Unordnung: Die Entropie-Zunahme geht gewöhnlich mit Chaos und Gleichmacherei einher. So verteilt sich Gas mit der Zeit im gesamten verfügbaren Volumen (oben). Auf kosmologischen Skalen ist es aber umgekehrt: Das frühe Universum war sehr homogen, hatte aber eine extrem niedrige Entropie, wenn man die Schwerkraft mitberücksichtigt. Diese führt nämlich zu lokalen Verklumpungen des zunächst fast gleichförmig verteilten Urgases (unten). So sind die Sterne und Galaxien entstanden. Mit dieser Wirkung der Gravitation geht ebenfalls eine Zunahme der Entropie einher.
    Doch der Schein trügt: Der homogene Feuerball des frühen Universums besitzt keine hohe, sondern eine sehr niedrige Entropie! Denn in der Bilanz darf die Schwerkraft nicht vernachlässigt werden, was lange nicht erkannt wurde. Und diese hat die gegenläufige Tendenz: Verklumpung, nicht Homogenisierung.
    Auf großräumigen Skalen zeigt Homogenität also keine hohe, sondern im Gegenteil eine sehr niedrige Entropie an, weil der Entropie-Anteil der Gravitation so gering ist. Die stärksten „Konzentrationen“ der Schwerkraft, die Schwarzen Löcher, sind auch die größten Entropie-Ansammlungen. Der Gravitationskollaps führt, physikalisch gesprochen, also zur höchstmöglichen Unordnung. Ein einziges Schwarzes Loch mit einer Masse von einer Million Sonnen (wie beispielsweise im Zentrum der Milchstraße) hat hundertmal so viel Entropie wie alle bekannten Elementarteilchen im gesamten beobachtbaren Weltraum. Doch im frühen Universum waren Schwarze Löcher nicht vorherrschend, sonst wäre die Temperatur der Kosmischen Hintergrundstrahlung nicht überall nahezu gleich. Und das hat sich bis heute kaum geändert.
    Die außerordentliche Homogenität der Materieverteilung und die „Flachheit“ des Weltraums (er erscheint im Großen und Ganzen ungekrümmt, siehe Grafik hier ) ist höchst erstaunlich, fast ein Wunder. Das hat als Erster Roger Penrose erkannt. Er konnte sogar beziffern, wie extrem unwahrscheinlich der tatsächliche Zustand unseres Universums ist im Vergleich zu allen denkbaren Konfigurationen von Materie und Energie: nur 1:10 10123 . Diese doppelte Hochzahl 10 hoch 10 hoch 123 (10 hoch eine 1 gefolgt von 123 Nullen) ist unvorstellbar riesig. Wollte man diese vielen Nullen im Format dieses Buchs ausdrucken, wäre ein weitaus größerer Stapel nötig, als er im gesamten beobachtbaren Universum Platz hätte!
    Ein Universum mit der gleichen Masse wie unseres, aber voll von Schwarzen Löchern, ist also extrem viel wahrscheinlicher als unseres. Doch ein solches sehen wir nicht – wir könnten auch gar nicht darin leben. Insofern ist 1:10 10123 sogar eine Voraussetzung für unser Dasein.
    Wir existieren also in einer lebensfreundlichen Welt voller Ordnung (im thermodynamischen Sinn), weil der Urknall höchst „ordentlich“ war. Und genau deshalb läuft das Universum wie ein „Uhrwerk“ ab – mit einer eindeutigen Zeitrichtung. „Die Entdeckung des kosmologischen Ursprungs der geringen Entropie des Universums ist eine der größten Errungenschaften der Physik des späten 20. Jahrhunderts“, kommentiert der Philosoph Huw Price von der University of Sydney. Doch wodurch wurde das Uhrwerk unseres Universums aufgezogen? Was verursachte die geringe Entropie des frühen Universums? Wie kam es zu diesem höchst

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