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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Vaas
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am Ausgangspunkt zurückkommen. Aber die anschauliche Vorstellung versagt hier. Außerdem gäbe es im Universum kein Loch – so wie auch keines aus der Sicht fiktiver zweidimensionaler Lebewesen existieren würde, die in der zweidimensionalen Oberfläche eines gewöhnlichen dreidimensionalen Rings herumkrabbeln und ihre Welt auch nicht von „außen“ betrachten können. Die ringförmige Gestalt ist also eine mathematische Konstruktion, die sich der „gesunde“ Menschenverstand nicht ausmalen sollte, will er gesund bleiben. Dimensionsreduzierte Illustrationen wie auf dem Titelbild dieses Buchs helfen aber trotzdem – und weil selbst das unsere Hirnwindungen zu verknoten droht, wurde der stilisierte Weltraum-Ring auf dem Cover gleich noch zu einem Knoten verformt.
    So fantastisch das Hypertorus-Modell des Universums auch anmutet: Es ist mit den besten kosmologischen Messdaten gut vereinbar und hat zudem noch gewisse theoretische Vorzüge. Falls beispielsweise die mutmaßliche Kosmische Inflation bei relativ geringen Energien begonnen hat, dann wären ihre Anfangsbedingungen Andrei Linde zufolge sehr speziell und unwahrscheinlich. Nur in einem Fall gäbe es diese Schwierigkeit nicht, hat der renommierte Kosmologe von der kalifornischen Stanford University entdeckt: wenn das Universum gleich nach dem Urknall eine ringförmige Struktur besaß.
    Auch für das abgründige Rätsel der Zeitrichtung wäre ein ringförmiges Universum die Lösung. Das meint jedenfalls Brett McInnes von der Universität Singapur. „Die Inflation erschafft keinen Zeitpfeil, sondern setzt ihn voraus“, kritisiert er anderslautende Erklärungsversuche. Selbst die Annahme eines Multiversums, wie es aus vielen Szenarien der Kosmischen Inflation folgt, hilft nicht weiter. McInnes teilt sie zwar und hält es für wahrscheinlich, dass Universen voneinander abstammen können oder sich aus einem ursprünglichen Quantenvakuum gewissermaßen abnabeln. Er spricht hier von „guten“ und „schlechten“ Babys. Nur die „guten“ starten mit einer niedrigen Entropie und somit einem Zeitpfeil. Dieser kann sich McInnes zufolge allerdings nicht spontan bilden, sondern muss gleichsam ererbt sein, egal wie viele Generationen von Universen eventuell vorher schon existiert haben.
    Doch der aus Australien stammende Physiker hat eine verblüffende Entdeckung gemacht: In der Mathematik existiert genau eine Klasse von Gebilden, die als Modell für kosmologische Raumzeiten eine ihnen notwendig innewohnende Asymmetrie besitzen – ganz unabhängig zunächst von jeder physikalischen Anwendung. Das lässt sich streng mathematisch beweisen. Diese Klasse wäre also quasi aus geometrischen Gründen der ideale Startblock für einen Superzeitpfeil – und sie hat eine ringförmige Gestalt!
    Noch ist unklar, was dieses Ergebnis bedeutet, und ob es wirklich als Grundlage für eine Welterklärung taugt. Ein vielversprechender Ansatz ist es jedenfalls. Brett McInnes wurde daher auch 2007 nach Cambridge zu einer von Hawking veranstalteten Konferenz eingeladen, und hat Hawking und den vielen anderen anwesenden Spezialisten seine Überlegungen schmackhaft gemacht. Vielleicht lässt sich Hawkings Vorschlag für eine Urknall-Erklärung, die Keine-Grenzen-Bedingung, sogar mit dem Hypertorus-Modell vereinbaren – und sei es nur, dass sich aus dem Urring Universen abnabeln könnten, die der Keine-Grenzen-Bedingung genügen. Tatsächlich haben die Kosmologen Hirosi Ooguri, Cumrun Vafa und Erik Verlinde im Jahr 2005 Hawkings Ansatz auf ein Modell der Stringkosmologie angewendet, das wie Hawkings Weltmodell eine „imaginäre Zeit“ besitzt – und eine ringförmige Gestalt. Vielleicht muss die moderne Schöpfungsgeschichte daher bald so formuliert werden: Im Anfang war der Ring.
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    Die Idee einer solchen kosmischen „Saat der Zeit“ ist älter als die Relativitätstheorie und die Urknall-Hypothese. Schon 1895 hatte der Wiener Physiker Ludwig Boltzmann überlegt, dass das ganze beobachtbare Weltall bloß eine zufällig entstandene Insel der Ordnung in einem viel größeren Ozean des Chaos sein könnte. In der modernen Kosmologie erfreut sich diese Idee wieder großer Beliebtheit, auch bei Stephen Hawking. Tatsächlich laufen viele miteinander konkurrierende Hypothesen auf eine solche Vorstellung

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