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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Vaas
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hinaus: Der Urknall war vielleicht schlicht eine statistische Fluktuation, also eine zufällige Schwankung, in einem chaotischen Quantenvakuum. Und zwar nur eine unter zahllosen anderen. Wobei mit jedem Urknall ein mehr oder weniger separates Universum entstand.
    Aber warum ist „unsere“ Zufallsschwankung so langlebig? Immerhin sind rund 13,7 Milliarden Jahre seit dem Urknall verstrichen. Viel wahrscheinlicher müsste es doch sein, dass die spontane Fluktuation erst vor wenigen Sekunden zustande kam – mit all den Pseudospuren einer vermeintlichen Vergangenheit: die Erinnerungen an frühere Steuererklärungen und Kindergeburtstage, die Fossilien von Dinosauriern, die Meteoriten aus der Anfangszeit des Sonnensystems und die Kosmische Hintergrundstrahlung vom Urknall selbst. Kurz: Ein solches Schwindel-Universum – oder bloß ein einziges Gehirn, das sich eine solche Pseudowelt einbildet – sollte sehr, sehr viel häufiger entstehen als ein hoch strukturiertes, geordnetes Weltall von mindestens 100 Milliarden Lichtjahren Durchmesser. Zumindest, wenn man den Zahlenvergleich von 1:10 1058 zu 1:10 10123 ernst nimmt.
    Kosmologen können aus der Not freilich auch eine Tugend machen. Sean M. Carroll vom California Institute of Technology und Jennifer Chen von der University of Chicago haben genau das getan. Sie entwickelten 2004 ein Modell, demzufolge unser Universum tatsächlich nur eine Fluktuation unter unzähligen ist. Denn ein mit Dunkler Energie durchsetztes Vakuum – und das ist auch in unserem Universum der Fall – bringt immer wieder zufällige Fluktuationen hervor, die durch die Kosmische Inflation riesig werden, bis sie sich durch die ewige Ausdehnung, die die Dunkle Energie immer schneller vorantreibt, wieder völlig entleeren. Fülle und Leere folgen in diesem Modell also unaufhörlich – in jedem Universum des sich immer weiter verzweigenden Multiversums. Und solche Zyklen, so versuchten Carroll und Chen zu zeigen, sind wesentlich wahrscheinlicher als zufällige Fluktuationen von Dinosauriern oder ganzen Schwindel-Universen. Bis zur exakt Ewigen Wiederkehr unseres eigenen Universums wäre allerdings viel Geduld erforderlich – 10 1056 Jahre. Trotzdem gibt es in diesem Szenario keinen bevorzugten Zeitpfeil. „Denn in beiden Zeitrichtungen tauchen durch Fluktuationen Baby-Universen auf, entleeren sich und setzen ihrerseits Babys in die Welt“, sagt Carroll. „In extrem großem Maßstab sieht ein solches Multiversum im Mittel zeitsymmetrisch aus – sowohl in der Vergangenheit wie in der Zukunft entstehen neue Universen und pflanzen sich unbegrenzt fort. Zu jeden von ihnen gehört ein Zeitpfeil, doch in der Hälfte aller Fälle weist er in die zu den übrigen entgegengesetzte Richtung.“
    Wer solche Zyklen ebenfalls für Schwindeleien hält, muss die Erklärung für die geringe Entropie des Alls woanders suchen. Vielleicht entspringt der Fluss der Zeit einer Quelle, die sich aus der reinen Geometrie des Universums ableiten lässt – oder eines Ur-Universums, falls ein ganzes Multiversum existiert ( siehe Exkurs Die Ring-Parabel ). Möglicherweise, und darauf deuten Hawkings neueste Forschungen hin, trägt die Saat der Zeit aber auch viel kuriosere Früchte – und geht sogar in unterschiedliche Richtungen auf.
    IM KONTEXT
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    â€º  Die Richtung der Zeit gehört zu den größten Rätseln der modernen Physik und Kosmologie. Ohne diesen ominösen „Zeitpfeil“ könnten wir nicht leben, wie Hawking betont.
    â€º  Die Zeitrichtung hängt mit einem extrem unwahrscheinlichen, hohen Ordnungsgrad unseres Universums zusammen. Woher er stammt, ist unbekannt. Es herrscht aber weithin Konsens, dass er bereits mit dem Urknall entstanden sein muss.
    â€º  Viele Kosmologen, auch Hawking, versuchen ihn im Rahmen eines Multiversum-Modells zu erklären. Danach ist unser Universum nur eines unter unzähligen. In den meisten herrschen wohl ganz andere physikalische Bedingungen, so dass sie lebensfeindlich wären.
    â€º  Das Multiversum-Szenario wird immer beliebter, ist aber keineswegs bestätigte wissenschaftliche Erkenntnis und zurzeit auch noch zu spekulativ, als das man entscheiden könnte, welches der vielen einzelnen Modelle am plausibelsten ist. Ob das Szenario notwendig oder schon hinreichend für eine Erklärung der Zeitrichtung ist, lässt sich

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