Hawkings neues Universum
Erfahrung, dass der Name „Linde“ weit über den Kreis der Kosmologen und Physiker hinaus bekannt war. Denn zu Beginn seines Studiums am California Institute of Technology wurde Dmitri mehrfach gefragt, ob er der Sohn von Linde sei, des Autors von „InstantTeX“. Mit diesem Programm konnte man mit der Computermaus mathematische Symbole, etwa Integrale, in Texte einzeichnen – damals ein Novum. Doch nicht sein Vater, sondern Dmitri selbst hatte diese nützliche Software geschrieben.
Als Andrei Linde 1990 Silicon Graphics in Los Angeles überreden konnte, ihm einen der schnellsten damaligen Rechner für eine Woche zu leihen, um die Kosmische Inflation zu simulieren und zu visualisieren, schrieb Dmitri in Windeseile die Software. „Das war harte Arbeit“, erinnert sich Andrei Linde. „Am siebten Tag vollendeten wir die Berechungen und erblickten erstmals die wachsenden Berge, die die inflationären Bereiche repräsentierten. Wir konnten zwischen ihnen herumfliegen und den Blick auf unser Universum beim ersten Schöpfungsmoment genießen. Wir schauten auf den leuchtenden Bildschirm und waren glücklich – wir sahen, dass das Universum gut war. Aber unser Werk währte nicht lange. Am achten Tag gaben wir den Computer zurück und die Gigabyte-Festplatte ging kaputt – und mit ihr das Universum, das wir erschufen.“
Recycling-Universen
Die endlose Aufblähung des falschen Vakuums mit immer neu sich herauskristallisierenden, womöglich unendlich großen Teiluniversen aus echtem Vakuum strapaziert das menschliche Vorstellungsvermögen schon kolossal. Doch Alex Vilenkin fügte diesen Unermesslichkeiten zusammen mit seinem Freund und früheren Postdoc Jaume Garriga von der Universität Barcelona noch eine weitere hinzu: In einem Universum, das sich durch die von Albert Einstein eingeführte Kosmologische Konstante beschleunigt ausdehnt, gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich aufgrund eines Quantentunneleffekts aus der Raumzeit Blasen ausstülpen und abnabeln.
„Jede dieser exponentiell expandierenden Blasen entwickelt sich zu einem Universum mit seiner eigenen Ewigen Inflation. Es bildet unendlich viele thermalisierte Regionen aus, mit unendlich vielen Galaxien. Auch aus diesen Regionen können sich neue inflationäre Blasen abspalten, aus diesen wieder welche und so weiter.“ Wie Hefezellen sprießen die Universen aus diesem seltsamen kosmischen Teig. Vilenkin hat für die Ganzheit dieser endlosen Reproduktionskette den Begriff „Recycling-Universum“ geprägt.
Die Idee des Recycling-Universums haben Alex Vilenkin, Jaume Garriga, Slava Mukhanov und Ken Olum auf einen abenteuerlichen Gedanken gebracht: Ob man nicht Botschaften an künftige Zivilisationen in anderen thermalisierten Regionen in den neuen kosmischen Blasen senden könnte.
Zwischen den thermalisierten Regionen innerhalb des inflationierenden Universums ist dies unmöglich, weil die exponentielle Expansion des falschen Vakuums zwischen den Blasen jeder Botschaft gleichsam davonläuft. Außerdem kann nichts die Raumzeit-Grenzen einer thermalisierten Insel-Region erreichen oder gar überwinden, da diese gewissermaßen den Urknall und das Ende der Inflation dieser thermalisierten Region darstellen. „Mit den expandierenden Außenrändern des Insel-Universums können wir unmöglich Schritt halten. Wir werden also niemals die Ufer des inflationär expandierenden Ozeans erreichen und im Licht der neuen Sonnen baden, die dort in Zukunft geboren werden“, sagt Vilenkin. „Nicht einmal Botschaften können wir an zukünftige Zivilisationen senden, die um diese Sonnen herum gedeihen werden, denn kein Signal kann sich schneller fortpflanzen als Licht.“
Doch die recyclierten Teiluniversen, die sich in der Zukunft einer thermalisierten Region befinden, als Ausstülpung aus dem echten Vakuum, sind theoretisch erreichbar. „Hinreichend stabile Container vorausgesetzt, könnten wir diesen jungen Universen Botschaften schicken, wenn diese zufällig in eine sich neu bildende Blase geraten“, haben Vilenkin und seine Mitarbeiter überlegt. „Die Adressaten könnten es später genauso machen, und so würde sich ein immer weiter verzweigendes kosmisches Informationsnetzwerk herausbilden. Damit wären unsere Erkenntnisse mit dem Sterben unseres Universums nicht für immer verloren.“
Mit Überschlagsrechnungen haben die phantasievollen Kosmologen diese Hoffnung jedoch selbst zunichte gemacht. Die Abschätzungen zeigen nämlich, dass die
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