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Hawks, John Twelve - Dark River

Hawks, John Twelve - Dark River

Titel: Hawks, John Twelve - Dark River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Duell der Traveler
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abgeschlossen. Alice trat ein und sah, dass das benutzte Geschirr noch auf dem Tisch stand. »Hallo?«, sagte sie leise. Niemand antwortete. So lautlos wie möglich schlich sie durch die Küche, sah sich um, huschte ins Wohnzimmer. Wo sollte sie hin? Wo versteckten sich die Erwachsenen?
    Alice blieb reglos stehen und lauschte auf Stimmen, auf irgendetwas, das ihr verraten würde, was zu tun war. Der Wind blies Schneeflocken gegen die Fensterscheiben, und der Heizlüfter brummte leise. Alice machte einen Schritt nach vorn und hörte ein leises Tröpfeln wie aus einem undichten Abflussrohr. Da war es wieder, ein bisschen lauter diesmal. Alice ging um die Couch herum und entdeckte eine Blutlache. Ein Blutstropfen löste sich von der Zimmerdecke und zerplatzte auf dem Fußboden.
    Alice setzte sich wieder in Bewegung und stieg ganz langsam zum Schlafloft hoch. Die Treppe hatte nur vierzehn Stufen, aber Alice kam es vor wie die längste Reise ihres Lebens. Ein Schritt. Noch ein Schritt. Sie wollte stehen bleiben, aber ihre Beine machten einfach weiter. »Mommy, bitte«, flüsterte sie, so als bettele sie um einen besonderen Gefallen. »Bitte …« Und dann stand sie oben vor der Leiche ihrer Mutter.
    Die Haustür flog auf. Alice kauerte sich im Schatten auf den Boden, nur wenige Zentimeter vom Bett entfernt. Ein Mann war ins Haus gekommen. Er redete laut in sein Headset.
    »Ja, Sir. Ich bin wieder in Sektor neun …«
    Alice hörte ein platschendes Geräusch und spähte über den Treppenabsatz nach unten. Ein Mann in Tarnkleidung verschüttete eine klare Flüssigkeit über die Möbel. Beißender Benzingeruch erfüllte die Luft.
    »Hier sind keine Kinder, nur die Ziele aus meinem Sektor. Raymond hat zwei erwischt, die in Richtung Wald laufen wollten, aber das waren beides Erwachsene. Bestätigt. Wir haben die Leichen reingebracht.«
    Der Mann warf den leeren Benzinkanister auf den Boden, ging zur Haustür zurück und zündete ein Streichholz an. Als er sich die Flamme einen Moment lang vors Gesicht hielt, sah Alice darin weder Grausamkeit noch Hass, sondern reines Pflichtbewusstsein. Der Mann warf das Streichholz auf den Boden, wo das Benzin sofort Feuer fing. Zufrieden ging er hinaus und zog die Tür hinter sich zu.
    Schwarzer Qualm füllte das Haus, als Alice die Treppe hinunterstolperte. In der nördlichen Hauswand befand sich ein einziges Fenster, etwa zwei Meter über dem Boden. Alice rückte den Schreibtisch ihrer Mutter an die Wand, hakte das Fenster auf, kroch hinaus und landete im Schnee.
    Sie wollte sich nur noch verstecken, so wie ein kleines Tier, das sich in seinem Bau zusammenrollt. Hustend und weinend lief sie ein letztes Mal durch das geschnitzte Gartentor. Chemiegestank erfüllte die Luft, und es roch wie in einer Müllverbrennungsanlage. Alice tastete sich außen an der Lehmmauer entlang, bis sie an ein Büschel Bärengras kam; von dort stieg sie die steinige Böschung Richtung Berggrat hinauf. Während sie immer höher kletterte, konnte sie sehen, dass inzwischen alle Häuser brannten und die Flammen sich wie ein leuchtender Fluss durchs Tal schlängelten. Der Abhang wurde steiler, und sie musste sich an Ästen und Grasbüscheln festklammern, um weiterzukommen.
    Als sie es schon fast bis zum Bergrücken geschafft hatte, hörte sie ein Knacken, und eine Kugel schlug in den schneebedeckten Boden vor ihren Füßen ein. Alice warf sich zur Seite, schlug die Hände vors Gesicht und ließ sich den Abhang hinunterrollen. Sie fiel ein paar Meter und blieb dann in einem Dornbusch hängen. Während sie sich aufrappelte, fiel ihr ein, was der Anführer im Gemeinschaftszentrum gesagt hatte. Summerfield und Gleason haben Position bezogen. Thermo-Bildgeneratoren. Und was bedeutete Thermo ? Wärme. Der Schütze konnte sie sehen, weil ihr Körper Wärme ausstrahlte.
    Alice warf sich auf den Boden und begann, mit bloßen Händen Schnee auf ihren Körper zu schaufeln. Sie bedeckte ihre Beine mit Schnee, dann legte sie sich zurück und packte sich Schnee auf Bauch und Brust. Zum Schluss vergrub sie ihren linken Arm und benutzte den rechten, um sich Schnee über Hals und Gesicht zu schieben; nur eine kleine Öffnung über dem Mund ließ sie unbedeckt. Ihre nackte Haut begann zu kribbeln und zu brennen, aber sie blieb unter dem Dornbusch liegen und versuchte, sich nicht zu bewegen. Während die Kälte in ihren Körper eindrang, flackerte der letzte Rest ihres Alice-Ichs noch einmal kurz auf, um dann zu verblassen und zu

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